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Ein Beitrag aus naturschutzfachlicher Sicht von Dierk Conrady und Peter Fasel
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In den letzten Jahrzehnten hat die Niederwaldwirtschaft in Mittel-, West- und Südeuropa mit einemdeutlichen Gefälle von Süden nach Norden sowie auch in Nordrhein-Westfalen enorm an Bedeutung verloren. Ihre bis in die jüngste Vergangenheit reichende Relevanz unterstreichen die folgenden Angaben von MAYER (1992). Danach betrug noch in den 50´er Jahren des letzten Jahrhunderts der Anteildieser Betriebsart allein in Italien 40 %, in Frankreich 25 %, in Spanien 22 %, in Griechenland 18 % und in Belgien 16 % an der Gesamtwaldfläche. Auch wenn aus Nordrhein-Westfalen keine vergleichbaren Zahlen vorliegen, war doch besonders der südlichste Teil Westfalens schon immer überdurchschnittlich reich an Niederwäldern. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts wurden im Siegerlandüber 85 % der Gesamtwaldfläche niederwaldartig genutzt. Aber der Anteil nimmt seit 1860 kontinuierlich ab. Diese mittlerweile fast 150 Jahre anhaltende Entwicklung läuft unvermindert weiter, sodass im Siegerland, dem ehemals niederwaldreichsten Kreis in Deutschland, in den nächsten 50 Jahren eine weitgehende Nutzungsaufgabe zu befürchten ist. Die Gründe für diesen drastischen Rückgang sind bekannt. Auslöser war zunächst die Entdeckung und beginnende Ausnutzung nicht erneuerbarer Energiequellen wie vor allem der Steinkohle im Zeitalter der 1. Industriellen Revolution (CONRADY 1999).
Viele der den Alltag vor dieser IndustriellenRevolution bestimmenden Energie- und Mobilitätsprobleme wurden innerhalb weniger Jahrzehnte gelöst und damit bedeutende Grenzen überwunden, die die Ausbeutung natürlicher Ressourcen jahrhundertlang eingeschränkt hatten (SIEFERLE 1982). Für die Bewirtschaftung der Stockausschlagwälder hatte die Entwicklung fatale Folgen: sie wurde unrentabel. Nahezu alle, z.B. bei der Wald-Feld-Wechselwirtschaft im Hauberg erzeugten Produkte, konnten durch billigere, zumeist importierte Energieträger oder Waren ersetzt werden. Hieran hat sich bis zum aktuellen Zeitpunkt nichts wesentlich geändert. Im Gegenteil: die Preisspanne zwischen den im Niederwald erzeugten Produkten und importierten Substituten hat sich auch in den letzten Jahrzehnten noch vergrößert. Ursache hierfür sind die energiepolitischen Folgen der 2. Industriellen Revolution durch Erschließung und Nutzung von Erdöl und -gas. Zurückzuführen ist die Entwicklung vor allem darauf, dass weder in die Kosten der »Mobilität«, noch in die Preise für nicht erneuerbare Energiequellen alle bereits erkennbaren Folgeschäden am Naturhaushalt (Klimaveränderung, etc.) einberechnet werden. Zunächst war mangelndes Wissen um die ausgelösten Umweltprobleme dafür verantwortlich. Würden die Folgeschäden nach heutiger Kenntnis in die Verkaufspreise einbezogen, lägen Erdgas- und Erdölkosten sowie die Kosten des Individualverkehrs bedeutend höher. Als Folge dieser ökonomischen Veränderungen wurden viele Niederwälder seit 150 Jahren in andere Waldformationen umgewandelt. Etwa Ende des 19. Jahrhunderts, spätestens Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich in allen verbliebenen mitteleuropäischen wie auch rheinisch-westfälischen Niederwaldregionen das Verhältnis von Niederwald zu Hochwald umgekehrt. Gefördert wurde der Hochwalddurch eine ständig gestiegene Nachfrage nach Bau-, Möbel- und Industrieholz bei gleichzeitigem Rückgang des Holzkohlebedarfs. Zwischen 1850 und 1970 entstanden vor allem reine Nadelholzaufforstungen. Die Waldschadensproblematik, die in den 80er Jahren einer breiten Öffentlichkeit bewusstwurde, rief in Politik und Verwaltung ein neues Umwelt- und Waldverständnis hervor. Viele Förderrichtlinien im Waldbau wurden daraufhin verändert. Die verheerenden Stürme Anfang der 90er Jahre, denen zumeist weniger standortgemäße Nadelholzbestände zum Opfer fielen, begleitet von massiven Preiseinbrüchen bei den Nadelholz-Sortimenten, ließen zunehmend auch bei kommunalen und privaten Waldbesitzern die Wertschätzung für standortheimische und standortgemäßere Laub- und Laubmischwälder steigen. In Verbindung mit deutlich erhöhten Fördermitteln des Landes konnte Ende der 90er Jahre im Forstamt Siegen die Verwendung von Laubholz bei Erst- und Wiederaufforstung auf über 70 % angehoben werden (BECKER mdl.). Aufgrund einer finanziell besseren Ausstattung wird heute die Umwandlung in naturnahe Hochwälder erheblich gefördert. Hierunter fällt auch die Umwandlung ehemaliger Nieder- in Hochwälder in finanziell beachtlichem Umfang. Die Niederwalderhaltung spielt hierbei aber eine nach wie vor zu vernachlässigende Rolle. Alle noch vorhandenen Niederwälder werden heute nur noch zur Brennholzgewinnung mit Umtriebszeiten zwischen 20 und 30 Jahren genutzt. Da in den meisten südwestfälischen Waldgenossenschaften vielfach auch die erforderlichen Interessenten für das Brennholz fehlen, verlagert sich die Niederwald- immer weiter zugunsten einer Hochwaldnutzung, die dann durch bezahlte Forstunternehmer und nicht mehr durch die Waldgenossen selbst erfolgt. Das aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit vielerorts abnehmende Interesse an der Niederwaldnutzung äußert sich aber nicht nur in der Umwandlung in andere Waldformen und Ökosysteme, sondern gleichermaßen in der mangelnden Pflege. Viele Niederwälder werden heute nicht mehr im 20-jährigenRhythmus auf den Stock gesetzt. In Siegerländer Niederwäldern werden immer seltener Eichennachgepflanzt, so dass die Bestände überaltern (BECKER & FASEL 2007, BIRKHÖLZER 1995,DOHRENBUSCH 1982). Ab einem Alter von etwa 40 Jahren nimmt die Stockausschlagfähigkeit deutlich ab, nach 5-7-maligem Umtrieb sind die Wurzelsysteme von Eiche und Birke überaltert. Die Triebbildung lässt deutlich nach, alte Stöcke brechen auseinander. Ergänzungspflanzungen und -saaten mit Eichen bzw. Eicheln werden heute vorwiegend mit dem Ziel der Überführung in Hochwald, aber nicht mehr zur Niederwaldverjüngung vorgenommen. Einzelne belassene Samenbäume auf der Fläche begünstigen die Lichtbaumart Birke. Folglich sinkt in vielen alten Niederwäldern der Eichenanteil. Letztendlich wird dadurch nicht nur die Bedeutung des Niederwaldes für den Naturschutz verringert, sondern die Wiederaufnahme einer niederwaldförderlichen Nutzung noch unökonomischer. Nach wie vor dokumentieren viele Waldgenossenschaften im Siegerland großes Interesse an der Erhaltung eines Teils ihrer Waldungen als Niederwald, vor allem zur Brennholzsicherung für Krisenzeiten. Brennholz, auf der eigenen Fläche geerntet, bedeutet schließlich auch Unabhängigkeit vom Energiepreis, dessen Entwicklung gerade momentan nicht kalkulierbar ist. Viele Waldgenossen halten an einer traditionellen und für sie wichtigen Nutzungsart fest, weil sie mit ihr aufgewachsen sind und diese ihren Lebensrhythmus von Kindesbeinen an bestimmt hat. Die Aufgabe der Niederwaldbewirtschaftung ist für sie daher auch ein Verlust von Heimat. Aber schon der jüngeren Generation fehlt dieses Bewusstsein. Als Energieträger gibt es heute preisgünstigere Alternativen und das »Auf-den-Stock-setzen« ist für die allermeisten Jüngeren eine zu harte Knochenarbeit! Wer wird diese Arbeit fortsetzen, wenn sie so unbeliebt ist und doch nur finanzielle Nachteile bringt? Die Erhaltung von Niederwäldern wird heute vor allem von der Heimat- und Naturschutzseite gefordert, da er eine Vielfalt an Arten und Lebensgemeinschaften sichert, die in der übrigen Kulturlandschaft und selbst in der Hochwaldbewirtschaftung fehlt (z.B. CONRADY 1999, FASEL 1995a, FULLER 1992, HOCHHARDT 1996, HOCHHARDT & OSTERMANN 1998, MANZ 1994, SCHANOWSKI 1993). Doch mangelt es an umsetzbaren und finanzierbaren Erhaltungskonzepten. Die aktuellen Bemühungen der Landesforstverwaltung, der Forstämter und des Kreisumweltamtes, Niederwald mit den Waldeigentümern auf dem Wege des Vertragsnaturschutzes zu bewahren, weisen einen möglichen Weg auf, können aber nur ungenügend bleiben. Aufgrund der Größe der Niederwaldflächen und der Organisation von Maßnahmen werden Mitarbeiter von Forstämtern, Landschaftsbehörden und Naturschutzzentren überfordert. Die einzige erfolgversprechende Maßnahme scheint momentan in der Förderung neuer Wege im Holz-Marketing von Haubergsholz und Haubergsprodukten zu bestehen, die allerdings auch eine Anschubfinanzierung und Förderprogramme voraussetzen. Kleinflächig kann Niederwald durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aufgrund kommunaler Eingriffsplanungen oder durch Ansparen von Maßnahmen auf das Ökokonto erhalten werden. So lange jedoch die mittel- und langfristig erforderlichen Märkte für das im Niederwald hauptsächlich erzeugte Produkt Brennholz fehlen, so lange alle fossilen Energieträger zu Öko-Dumping-Preisen vertrieben werden, bleiben auch solche Erhaltungsmaßnahmen Stückwerk. Auch die in anderen Bundesländern und europäischen Staaten nur spärlich begonnenen Bemühungen von ForstundNaturschutzverwaltungen, den Niederwald zu erhalten, sind unzureichend (z. B. BUCKLEY 1992, WESTHUS & HAUPT 1990, WESTHUS et al. 1996).
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