By Ronny Strätling on Samstag, 01. Februar 2014
Category: Briefe aus dem Warndt

Wird 2015 wieder ein Warndt-Sandtrüffeljahr?

Nach langer Zeit nochmal ein "Brief aus dem Warndt" - einer touristisch immer noch unterschätzten Region...

Tuber varennosporus heißt dieser seltene Vertreter der Trüffel – immens begehrt und kostbar und doch kennt sie kaum einer. Anders als die Weiße Trüffel oder die Perigord Trüffel kommt die Warndt-Sandtrüffel niemals in den Handel und nur ca. alle 30 Jahre wird sie in einem Restaurant der absoluten Weltspitze in einer Art Gipfel des Hedonismus serviert. Das letzte Mal als dies geschehen war, wurden die Menüs, welche im Schnitt stolze 50g dieser Spezialität enthielten, für je 37.500 USD angeboten und im Losverfahren zugeteilt. Wir schreiben das Jahr 1984. Zuletzt im Ledoyen, Paris fanden 127 begeisterte Hedonisten zu diesem einmaligen Ereignis zusammen. Glauben Sie nicht? Dann lesen Sie weiter – Sie werden erstaunliches erfahren!

Winteraspekt der letzten Fundstelle im Jahre 1984. Aufnahme vom 15. Januar 1984. Hier wurden dreizehn kleine Warndt-Sandtrüffel gefunden.

Trüffel, die in der Gastronomie eine Rolle spielen, wachsen fast ausschließlich auf kalkhaltigem Boden. In Namibia und auf Teneriffa gibt es jedoch auch Trüffel, die in Sandboden gedeihen. Geschmacklich kommen diese Vertreter jedoch nicht entfernt an die Weiße Alba oder die Perigord Trüffel heran. Was kaum ein Mensch weiß und vielfach auch von Mykologen ins Reich der Fabelwelt gerückt wird – es gibt sie wirklich die extrem seltene Warndt-Sandtrüffel, die mit ihrem einzigartigen Aromen-Bukett leicht die Weiße Trüffel aussticht und übertrifft. Dass sie kaum jemand kennt, liegt zunächst an ihrer Seltenheit und daran, dass nur ca. alle 30 Jahre wirklich große Fruchtkörper ausgebildet werden. Die übrige Zeit lebt das Myzel völlig unbemerkt im leichten Sandboden des Warndtwalds ausschließlich an Eichen, in deren Nähe sich auch Kiefern befinden. Eine Fruchtphase deutet sich laut Überlieferung oft schon im Jahr davor an, denn ein noch viel seltenerer Schmetterling ist genau auf die Fruchtbildung synchronisiert – der Warndt-Endemit Adela varennella, zu Deutsch Warndt-Sandtrüffellanghornmotte. Sie schließt ihre ca. 30 Jährige Entwicklung als Raupe ab, verpuppt sich und entlässt im späten August die blau-rot metallisch glänzenden Tiere, die mit ihren Schwärmen jene Stellen anzeigen, an denen im nächsten Jahr mit Warndt-Sandtrüffeln zu rechnen ist. Denn – unfassbar – die Warndt-Sandtrüffellanghornmotte legt ihre Eier am Boden über dem ausgebildeten Myzel ab. Die Eiräupchen ernähren sich vom Myzel und im ersten Jahr ihrer Entwicklung fressen sie Gänge durch die Trüffelfruchtkörper. Sobald die Trüffel ausreifen, fressen sich die Räupchen in die Wurzeln der Eichen und benötigen weitere 25-40 Jahre für ihre Entwicklung zum Falter! Dieses Wissen wird in der Warndt-Sandtrüffel-Bruderschaft seit vielen Generationen weitergegeben und als strenges Geheimnis gehütet.

Die Trüffel etwa mit Hunden oder Schweinen zu suchen, ist aussichtslos, denn kein Schwein und kein Hund werden alt genug, als dass sie eine zweite Generation von Trüffeln erschnüffeln könnten. Überhaupt einmal vorausgesetzt, man hätte genügend Trüffel, die Tiere damit zu trainieren, was sowieso als ausgeschlossen gelten kann. Bei der Suche nach der Warndt-Sandtrüffel ist die Bruderschaft also über Jahre auf der Suche nach Adela varennella, bevor sie eventuell in einem glücklichen Moment auf welche stoßen. Da sich der Paarungsflug im Schwarm auf nur ca. 1-2h beschränkt, bedarf es viel Gespür und Glück, einen solchen zu entdecken. Aber genau dies ist der Bruderschaft in 2013 an zwei Stellen gelungen! Somit könnten an diesen Stellen im Winter 2014/2015 Warndt-Sandtrüffel gefunden werden. Seither ist die Bruderschaft in heller Aufregung und erste Vorbereitungen für die Menü-Verlosung wurden bereits getroffen. Es ist geplant, das Menü im Restaurant elBulli zuzubereiten. Wie viele Menüs angeboten werden können, ist freilich noch eine Unbekannte – hängt es doch davon ab, wie viele Trüffel tatsächlich gefunden werden. Die Voranfragen für das Event übersteigen bereits jetzt diejenige der Bewerber im Jahr 1984. Der Erlös soll – so sieht es der Ehrenkodex der Bruderschaft vor – wieder in ein Bildungsprojekt in Westafrika fließen. Bruderschaftsvizepräsident Nikolaus (Name von Redaktion geändert) bestätigte, dass bereits erste Projektvorschläge ausgearbeitet wurden. Auch gäbe es schon erste Gebote auf das Menü selbst, welche die Grenze von Geschmack und Moral weit überschreiten so Nikolaus. Er bekräftigt jedoch, dass es keine Sonderbehandlung geben werde und dass alles streng den Statuten der Bruderschaft über eine öffentliche Losziehung laufen wird. Nur 5 Plätze werden von der Bruderschaft direkt vergeben. Zuletzt 1984 kamen Queen Elizabeth als Schirmherrin und einige bedeutende Restaurant-Kritiker zum Zuge, die an dieser Stelle verständlicherweise nicht genannt werden dürfen. Zum Preis des Menüs wolle sich die Bruderschaft zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht äußern. Es sei jedoch sicher im oberen 5 oder knapp 6-stelligen Bereich anzusiedeln.

Die Beschreibungen der Kritiker zum extravaganten Geschmack der in feinste Scheiben geschnittenen Trüffel wurden nie in vollem Umfang der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Bruderschaftsvorsitzender Nass (Name ebenfalls geändert) erlaubt uns in Auszügen eine nüchtern formulierte Beschreibung. Die Trüffel hat eine schwarze Rinde mit einer Tendenz ins Rötliche. Der äußere Sand wird nur grob mit einer feinen Bürste abgebürstet und in einer Schüssel gesammelt. Der Sand wird zusammen mit Wachteleiern in eine hermetisch abgeschlossene Box gegeben. Nach 5 Tagen wird die gesamte Bruderschaft zu einer mythischen Zeremonie mit Omelette à la Truffe Varenne geladen. Sollte es im Winter tatsächlich dazu kommen, werden erlesenste Weine von Chateauneuf du Pape zu diesem Anlass geöffnet. Der Showdown mit echten Warndt-Sandtrüffelscheiben folgt direkt einen Tag später im elBulli. Die Trüffel selbst ist im Inneren weitgehend weiß und wirkt dabei noch heller als die Weiße Alba-Trüffel. Dabei ist sie rot-orange marmoriert – rund um die Fraßgänge der Warndt-Sandtrüffellanghornmotte verfärbt sich der Fruchtkörper oft tiefrot. Im Titelbild sind die Scheibchen abgebildet, die 1984 zu einem Püree von Petersilwurzelmus gereicht wurden. Leider ist das Bild schon etwas vergilbt. Geruch und Geschmack erinnern entfernt an den einer hervorragend intensiven Weißen Alba-Trüffel – jedoch viel feiner und filigraner, zusätzlich erschnüffelt man intensive Noten von Aprikose, Veilchen, Hollunderblüte und den süßen Duft junger Frauen (so wird es übereinstimmend von den Kritikern beschrieben; in ihren Exzerpten rangen sie erkennbar mit Worten). Die Bruderschaft indes kommentiert Geschmack und Geruch nicht und verweist uns auf die Unvergleichlichkeit dieser hedonistischen Gottesgabe, die zu beschreiben mit bekannten Gerüchen und Geschmäckern schlicht nicht möglich sei. Der Geruch und die Aromen hinterlassen noch Tage später ein Abbild im Gedächtnis – man erahnt es nicht nur, nein man spürt es physisch wie ein viel zu heller Blitz, den man auf angenehmste Weise nicht auf der Netzhaut, sondern auf dem Gaumen behält – ein Erlebnis fast psychedelischer Art! Auch wird von einer intensiven aphrodisierenden Wirkung berichtet, jedoch mochte sich Nikolaus dazu aus Gründen der Diskretion, die die Bruderschaft ihren Menüteilnehmern unbedingt schuldig ist, in keiner Weise äußern.

Zu den Vorbereitungen des großen Sandtrüffel-Menüs gehört es auch, die Menüfolgen und überhaupt die begleitenden Speisen zu designen. Hierzu ist eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen worden, die sich aus Mitgliedern der Verkostung 1984, den Food-Designern von elBulli und dem Sommelier der Bruderschaft zusammensetzt. Dies alles wird aus Rücklagen einer Bruderschaftseigenen Stiftung finanziert. Sollte die Trüffelernte jedoch ausbleiben, werden auch die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe meistbietend versteigert und der Erlös wird der Welthungerhilfe zukommen.

Die größte je gefundene Warndt-Sandtrüffel wurde im Jahre 1949 gefunden – im vorletzten bekannten Trüffelzyklus. Sie wog 1264g; im Durchschnitt sind die im Warndt endemischen Trüffel mit ca. 200g verhältnismäßig schwer. Die Ernte mengen verteilten sich wie folgt: Im Jahre der Entdeckung, 1865 wurden 7.801g gefunden, 1895 waren es 12.547g (Rekordjahr!), 1921 dann 3.240g, 1949 lediglich 1264g in einem einzigen Exemplar und das bisher letzte Trüffeljahr 1984 mit 8.477g war wieder ein sehr gutes Jahr.

Zur Veröffentlichung dieses Beitrages haben wir zum allerersten Mal überhaupt von der Bruderschaft der Warndt-Sandtrüffel die Erlaubnis erhalten. Der Bruderschaftsvizepräsident bestätigte Gerüchte, wonach die NSA bereits Aufzeichnungen zur Warndt-Sandtrüffel in ihren Datenbeständen hätte. Um einem Aufdecken, sowie dem unkontrollierten Streuen von halbwahren oder gar verfälschten Informationen über die Bruderschaft zuvorzukommen, war dieser Schritt notwendig so Nikolaus. Überdies stünden gemäß den Statuten nach der Ernte wieder Neuwahlen des Präsidiums an und der scheidende Präsident tritt nun in den vielleicht letzten Monaten seiner Amtszeit für eine Öffnung der Bruderschaft für den Tourismus in der Region ein. Bürgermeister und Ortsräte im Warndt sehen jedoch eine Gefahr – dies würde die Grundstückspreise im Warndt in unerschwingliche Höhen treiben. Die Bruderschaft jedoch hat sich bedingungslos dazu verschrieben dem durch ein Konzept für sanften Tourismus entgegenzuwirken und versucht die Bedenken zu zerstreuen.

Wir danken den Vertretern der Warndt-Sandtrüffelbruderschaft für ihr entgegengebrachtes Vertrauen als Basis für dieses einmalige Interview! Informationen zur Warndt-Sandtrüffelbruderschaft erhalten Sie unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

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