Der zweite Brief aus der Reihe "Briefe aus dem Warndt" kommt nun aus Emmersweiler. Der Titel hätte auch lauten können "Offener Brief an die Rondellierer" aber ich versuche auch diese Mal zusätzlich ein wenig links und rechts von der Hauptätzerei über Emmersweiler zu erzählen.
Auf der offiziellen Webseite unseres Ortes heißt es (das ist die Quellenangabe!):
(Beginn des Zitats…) „Die ersten Aufzeichnungen über Emmersweiler stammen aus dem 14. Jahrhundert, aber schon lange vor seiner Zerstörung im 30 jährigen Krieg muss Emmersweiler bestanden haben. 1345 schenkte Johann von Benestorff die Abtei Wadgassen 32 Schilling Metzer Währung "auf Emmersweiler". Über die Bewohner ist vor 1633 in den Aufzeichnungen kaum etwas zu finden, lediglich, dass ein Einwohner "5 Pfennert Wiesen in Emmersweiler" besaß. Die Bewohner ernährten sich durch Arbeit im Wald, durch Besenbinden und Betreiben von Ackerbau und Viehzucht. 1640 hatten Hungersnot und Pest als Folge des Krieges die Bewohner dahingerafft.
Von dem Ort blieb nur ein Trümmerhaufen übrig. Der Wiederaufbau begann erst Ende des 17. Jahrhunderts. Die Folklinger Kirchenbücher berichten, dass 1691 einige Familien in Emmersweiler wohnten. Die Einwohnerliste wird namentlich fortgeführt bis 1791. Die fürstliche Regierung schloss mit der französischen Regierung 1768 einen Tauschvertrag, wodurch die bis dahin französischen Gebietsteile mit Emmersweiler am 26. Oktober 1770 in den Besitz der Grafschaft übergingen. Fürst Ludwig von Nassau-Saarbrücken (1768-1793) befahl eine Teilung des Ackerlandes und der Wiesen. Dadurch konnten sich die Dorfbewohner in der Landwirtschaft etwas heraufarbeiten. 1798 kam Emmersweiler unter französische Herrschaft, die bis 1815 andauerte. Preußen übernahm das Gebiet und das Dorf konnte sich lange Zeit ungestört entwickeln. Um diese Zeit hatte das Dorf 160 Einwohner. Ein weiteres Aufblühen begann, nachdem das Stieringer Eisenhüttenwerk 1847 errichtet und die Steinkohlengruben in Betrieb genommen wurden. 1858 hatte das Dorf schon 326 Bewohner. Vorteile für Emmersweiler brachte dann der Bau der Eisenbahnlinie Großrosseln-Saarbrücken und der Straßenbahnlinie Kleinrosseln-Forbach nach 1909. Emmersweiler entwickelte sich in der Folgezeit rasch; 1900 zählte man 474 und 1922 bereits 835 Einwohner. Seit 1993 besteht mit der französischen Nachbargemeinde Morsbach eine Partnerschaft.“ (…und das ist das Ende des Zitats)
Ich selbst bin in Emmersweiler aufgewachsen und nach einer längeren Absenz zähle ich erneut zu den Einwohnern dieses kleinen Ortes am äußersten Zipfel der Republik im Südwesten. Ein Steinwurf entfernt ist schon Frankreich und in der Kindheit sind wir mit omnipräsenten Zöllnern aufgewachsen, die selten beliebt waren. Heute kann man sich meist ganz frei bewegen, kommt man unseren Jägern nicht ins Gehege, wenn sie gerade Brot im Wald verteilen für die Wildschweine. Wildschweine gibt es über die Maßen viele im Emmersweiler Wald und die Gärten und Wiesen in Emmersweiler zeichnen sich durch ihren besonders lockeren Boden aus. Maulwurf und Wildschwein haben nicht die geringste Mühe, über Nacht ganze Fußballfelder in einen wertvollen Biotop zu verwandeln. Leider mögen das die meisten Leute in Emmersweiler nicht und so hat Thymian auf den Maulwurfshügeln selten eine Chance zu gedeihen.
Wir setzen also unsere Reise in St. Nikolaus fort und folgen dem Nikolausbach oder sagen wir besser den Spuren des ehemaligen Nikolausbachs. Das dürre Rinnsal was nun in Emmersweiler ankommt, wird bald versickern und da Schwebstoffe, Algen und all die Nährstoffe nicht verdunsten, ist das ganze am Ende auch schon eher zähflüssig und sehr gehaltvoll. In Perioden starker Regenfälle oder nach einer Schneeschmelze, wie wir sie in diesem Jahr erstaunt zur Kenntnis nehmen durften, läuft auch schon mal etwas mehr Wasser durch und schafft es bis zum sogenannten „Waldsee“. Wegen des Waldsees (oder soll ich lieber sagen „wegen dem“? ;-)) wurde die ehemalige St. Nikolauser Straße umbenannt in „Zum Waldsee“. Damit dies geschehen konnte, musste der Waldsee aber erst angelegt werden… Wegen des reichlich zur Verfügung stehenden Grubenwassers hatte die Kläranlage Karlsbrunn konstanteren Zufluss und der Nikolausbach hatte auch im Sommer manchmal aber doch damals schon eher selten Wasser.
Man muss Bilder eines Baggersees mit Segelschiffen und Surfern vor Augen gehabt haben, als man den einsamen Entschluss fasste, den Waldsee anzulegen. Den Untergrund hat man sicherheitshalber nicht untersucht, das hätte den Spaß nur allzu früh verdorben. Man hat also flux einen Damm aufgeschüttet mit schönem betoniertem Überlauf und schon konnte es losgehen. Das Wasser sollte sich dann stauen. Es staute sich auch im Frühjahr so stark, dass einige Amphibien ablaichen konnten. Die Nachkommen haben es freilich nie geschafft, durchzukommen, da die Pfützen vorher vertrocknen. Es wuchsen danach Bäume auf dem Grund des mit vielen Hoffnungen verknüpften Waldsees. Alle Schaltjahre gibt es aber dann doch mal Wasser und die Bäume sterben wieder. Einmal vor vielen Jahren haben sogar Enten am See gebrütet bis auch sie gemerkt hatten, dass der Waldsee eine nur halb durchdachte Sache ist. Um das ganze aber endlich touristisch aufzuwerten, hat man letztes Jahr, oder war es vorletztes Jahr? … hat man einen Trinkwasserspender aufgebaut, der sich in einem großen Sandstein befindet. Drückt man drauf, kommt Wasser und der werte Wanderer auf dem neuen Premium-Wanderweg kann sich erfrischen. Was nicht getrunken wird, fließt unweigerlich in den „See“ – was getrunken wird, später vielleicht mit Startpunkt Karlsbrunn auch – aber das hängt von der Route, die der Wanderer nimmt, ab. Auch das hilft aber nicht, den Waldsee seinen Namen verdienen zu lassen.
Hoffnung atmet der Waldsee nun von der Idee, in Karlsbrunn Grundwasser abzupumpen (5l/s), um den Nikolausbach wiederzubeleben. Aber bleiben wir mal im hier und jetzt – unser Blick schweift über das Feld welches sich zwischen Nikolausbach und Grohbruchbach befindet. Der Grohbruchbach fristet übrigens ein ähnlich trockenes Dasein wie der Nikolausbach, ist aber längst nicht so nährstoffreich. Folgt man dem Premiumwanderweg über die Feld-Route, wird man erst von einem Schild zurückgehalten, welches einem bedeutet, dass Reiten und Hunde (?) verboten (?) sind.
Der Untertitel des Schildes sagt dem Laien auch nichts: „Vorsicht Zeckengebiet“. Ja es gibt Zecken im Gras so wie es auch Zecken im Wald gibt, am Farn und in der Hochstaudenflur – überall gibt es Zecken!!! Warum also warnt uns genau auf dem Premiumwanderweg ein Schild vor Zecken und fordert uns auf, umzukehren, sofern man per Pferd oder mit (?) Hund (?) unterwegs ist? Vertragen Pferde die Zecken schlechter als wir Menschen? Darf ich als Fußgänger ohne Hund und ohne Pferd doch durchgehen? Ist es wichtig, dass der Premiumwanderweg Hundefrei ist? Alles Fragen, die dem Laien in den Kopf schießen und die er (natürlich) nicht beantworten kann. Wer Peter Mayle (Mein Jahr in der Provence) gelesen hat, weiß, dass etwa im Luberon oft Schilder aufgestellt werden wie „Attention vipères!“ (Vorsicht Giftschlangen!) oder dass vor Minen gewarnt wird oder vor freilaufenden Wölfen, Killerhornissen und ähnlichem. Natürlich kann man immer mal einer echten Viper begegnen, doch kann man das fast überall und in den letzten 100 Jahren ist wohl keiner ernsthaft wegen einer Viper im Luberon zu Schaden gekommen. Es gibt da eine Analogie, die sich über empirische Studien mit einem hohen Signifikanzniveau belegen lässt. Schilder, die vor Zecken, Wildtollwut etc. warnen, weisen auf einen in unmittelbarer Nähe befindlichen Jagd-Hochsitz hin! Im Luberon ist es entweder ein Privatgrund, auf dem natürlich auch gejagt wird oder es ist wie bei uns auch eine Jagdschneise in der Nähe. Überprüft es! Stimmt auffallend!! In unmittelbarer Nähe des Premiumwanderweges findet man inzwischen auch kein Brot mehr für das Wild – der Druck, der durch die Wandernden immer stärker wird (bestimmt sind da so Nabu-Leute dabei oder Tierschützer…). Man verteidigt also die abgesteckten Bereiche so gut es geht und mit Mitteln (?), die zur Verfügung stehen (?). Dass sich zwischen Nikolausbach und Grohbruchbach ein Feld befindet (dort wird noch regelmäßig Heu geerntet) verdanken wir dem letzten Zeitgenossen in Emmersweiler, der noch Landwirtschaft betreibt. Dieser hat wohl schon erkannt, dass für den Fall, dass einmal 5 l Wasser pro Sekunde in den Nikolausbach gepumpt werden soll, die Nährstoffversorgung wegen der hohen Verdünnung kaum noch in bisherigem Maß sicherzustellen ist. Was liegt da näher, als in strategisch bestens geeigneter Lage einige große (!) Misthaufen anzulegen.
Der Regen bringt dann die Nährstofffracht in den Bach und alles ist wie es einmal war. Der Mist soll vielleicht einmal auf das Feld gebracht werden, doch das gelingt in den meisten Jahren aus irgendeinem Grund nicht, so dass Unmengen von Mist für guten Nachschub sorgen. Wir können uns auf die Algenblüte freuen, wenn erst mal Wasser da sein wird! Am Ende werden wir mit dem St. Nikolauser Weiher mithalten können und Methankarpfen züchten. Dann wäre es auch an der Zeit, diese Methankarpfen als originäres „Warndtprodukt“ zu vermarkten (gart von alleine – einfach anzünden und warten).
Aber wir haben uns lange genug am See aufgehalten und machen uns weiter auf den Weg durch Emmersweiler. Wir kommen durch die Straße Zum Waldsee und stellen fest, dass dort Leute wohnen müssen; die Chance jemanden zu Gesicht zu bekommen, ist jedoch nicht allzu hoch. Mehr Menschen trifft man am Weg parallel zum Grohbruchbach und dort würde man schon hundert mal mit einem freundlichen Bonjour begrüßt worden sein. Hier in der Straße passiert einem das nicht und wir laufen schnell weiter in den Dorfkern. Am Ende der Straße zum Waldsee geht es rechts ab die Hauptstraße lang den Dorfberg hoch. Vor noch etwa 30-40 Jahren wäre man nun an einer Reihe von Kneipen und Geschäften vorbeigekommen. Heute gibt es nur noch einen Friseursalon und eine letzte Kneipe „Zum Treffpunkt“, die der Frühschoppen-Unlust noch Widerstand leistet. Außerdem hat sich ein Schreibwaren- und Postladen gehalten – er befindet sich nun in der einst beliebtesten Kneipe im Dorf. Das waren nun alle Geschäfte, Kneipen etc. – Restaurants gibt es schon lange nicht mehr und da kann nicht mal ich mich dran erinnern. Sehr wohl aber, dass meine Oma während ich noch klein war, einen Tante-Emma-Laden oder ich sollte besser sagen Oma-Dora-Laden führte (mit Klingel hinterm Haus).
In Ermangelung von Sehenswürdigkeiten geht es weiter an der Kirche vorbei und dem verlassenen Pfarrhaus, das zum Verkauf steht und viel zu groß ist. Die Kirche in Emmersweiler ist durch das Misereor Hilfswerk das von Pastor Dühr gegründet wurde, einmal weiter in der Welt bekannt gewesen. Auch diese Zeiten sind vorbei. Weil es nun auch nicht mehr viel im Dorf zu sehen gibt und auch nur wenige „Guten Tag“s zu hören sind, setzen wir unsere Wanderschaft fort zum Hauptziel. Der Emmersweiler Ortsverschönerungsverein, von mir nur liebevoll die „Rondellierer“ genannt haben auf dem Emmersweiler Köpfchen wahrhaft großes geleistet. Das Emmersweiler Köpfchen ist quasi die höchste Erhebung Emmersweilers und als einer der wenigen Orte im Warndt nicht mit Bäumen umstanden, so dass es von dort aus eine Aussicht auf das Umland gibt. Man sieht Forbach mit dem Riesen-EU-Neuwagen-Umschlagsparkplatz und natürlich die Burg von Forbach. Teils kann man bis zum Winterberg in Saarbrücken sehen. Was liegt also nahe, den Punkt auf dem Emmersweiler Köpfchen mit Köpfchen touristisch aufzuwerten? Die erste Schwierigkeit bei diesem Vorhaben wird augenfällig, wenn man dort hinkommen will. Das Gelänge ist straßenseits von einer schönen Leitplanke abgeriegelt und es führt weder Fuß- noch Radweg dorthin.
Zuerst wohl wurde das Rondell wieder aufgebaut – ein Steinring, der mit einer Beton-Tischplatte versehen war und von innen begehbar war. Ich selbst kann mich an das alte Rondell nicht erinnern, weiß aber, dass das neue Rondell vom Grundkonzept her nicht so grundverschieden ist. Auch das alte Rondell war mit ortsuntypischen Kalksteinen erbaut.
Man muss wissen, dass sich das Rondell inmitten eines (ehemaligen) Sandmagerrasens befindet, der einst für die Biodiversität deutschlandweite Bedeutung gehabt haben sollte. Es war ein extrem kurzrasige und magerer Thymian-Halbtrockenrasen, in dem die Ameise Myrmica sabuleti zusammen mit ihrem Parasiten dem Großen Ameisenbläuling (Maculinea arion) in sehr großer Zahl vorkam. Der Große Ameisenbläuling ist als FFH-Art streng geschützt und europaweit stark gefährdet. Dass es die Art dort heute nicht mehr gibt, hängt mit der geänderten Nutzung zusammen. Die Schafe – einst ein Segen – sind heute wegen der Koppelhaltung ein Fluch. Der Untergrund wird buchstäblich festgetrampelt und vollgeschissen bis jede Ameise ausgezogen ist. Wer mehr dazu erfahren möchte, klicke bitte hier.
Zurück zum Rondell und dessen Urhebern. Während in St. Nikolaus die Dorfverschönerung vergleichsweise moderate Maßnahmen durchführt, wird in Emmersweiler richtig rangeklotzt. Die Rondellierer sind allem voran Kleingärtner, denen im eigenen Garten der Raum zur Entfaltung fehlt und daher voller Tatendrang sind. Kommen dann noch EU-Fördergelder hinzu, dann kann man richtig großes schaffen. Das Rondell selbst kann kritikfrei bleiben es ist wie gesagt ein Steinring und auf der runden Betonplatte befinden sich jede Menge Metalltafeln, die einem bedeuten, wo sich Berlin, Rom, Paris, Lissabon oder etwas näher Metz befinden. Sehen kann man diese Städte jedoch nicht; zum einen weil sich das Emmersweiler Köpfchen gerade mal 247m über dem Meeresspiegel befindet und zum Anderen ist inzwischen auch die Sicht auf Forbach versperrt durch die Kirschlorbeer-Pflanzen, welche sich mit vielen anderen nicht dorthin gehörigen Pflanzen den Platz ums Rondell teilen. Eine Schutzhütte wurde dem Rondell zur Seite gestellt – diese ist klein und rund und bietet drei wohlbeleibten Wanderern Schutz. Ein Schild wie am Fahrstuhl „max. 7 Personen oder 600 kg“ währe angebracht. Damit der Wanderer sich stärken kann, gibt es eine eigens dorthin verlegte Trinkwasserleitung, die leider nicht nur den Wanderer erfrischt, sondern auch die Außenanlage des Rondells mit Wasser für die 4 (!!!) Kleinstgartenteiche mitsamt einem kleinen Bachbett. Die Bilder sprechen ja für sich. Den Ansprüchen an die fortdauernde Pflege der Anlage kommt man offenkundig auch nicht mehr nach. Wieso aber muss man in einem Sandtrockenrasen eine Phalanx von Kleinstgartenteichen anlegen? Und wieso muss der Steuerzahler für so was Geld hergeben? Und das Wasser bezahlt wer? Fast noch schlimmer als die Teiche sind die Anpflanzungen um das Rondell herum. Es gibt keine ausländische Konifere, die es nicht auch am Rondell zu bestaunen gibt. Da gesellen sich Lavendel zu exotischen Stauden und einer Blutbuche (unter der bezeichnenderweise ein Schild mit der Aufschrift „Rotbuche“… steht à klar ist die rot!). Jeder, der nur ein wenig über unsere Biodiversität weiß, muss sich beim Anblick der Neophytenausstellung am Emmersweiler Köpfchen sich selbst am Köpfchen kratzen oder er kommt ohne Umschweife zum Gruseln. Es nimmt sich wie eine Drohung aus, wenn man von den Rondellierern erfährt, dass um das Rondell herum (2. Evakuierungsgürtel für die einheimische Flora und Fauna) ein Barfusspfad angelegt werden soll. Man wünscht sich, dass man sich einmal im Bliesgau-Biosphärenreservat solche Dinge vorher einmal anschaut hätte, um eine Vorstellung von „wie macht man das?“ zu bekommen.