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Bestandserfassung von Limenitis camilla im Warndt

hibernar-1Bestandserfassung von Limenitis camilla (Linnaeus, 1764), Kleiner Eisvogel (Lepidoptera: Nymphalidae), anhand von Hibernacula und anderer Spuren im Winter im deutschen Teil des Warndts (Saarland) unter besonderer Berücksichtigung der Wirtspflanzen Lonicera periclymenum und Symphoricarpos albus

Kurzfassung

Der Kleine Eisvogel (Limenitis camilla) gilt im Saarland als gefährdet. Im Warndt wurde in den letzten drei Jahrzehnten eine deutliche Bestandsabnahme beobachtet. Dies mag mit der veränderten Waldwirtschaft zusammenhängen. Durch intensive Suche nach den Überwinterungsstadien wurde in vorliegender Arbeit die aktuelle Bestandssituation im Warndt erhoben. Darüber hinaus wird beschrieben, wie Hibernacula an den Wirtspflanzen Lonicera periclymenum und Symphoricarpos albus effektiv gesucht werden können. Es wird eine Nachweismethode beschrieben, die gegenüber der Falterbeobachtung wesentlich effizienter und aussagekräftiger ist. Im Untersuchungsgebiet konnte eine starke, räumlich strukturierte Metapopulation festgestellt werden und der Kleine Eisvogel kann im Warndt als aktuell nicht gefährdet eingestuft werden. Die Analyse der Larvalhabitate und des Verhaltens der Falter in selbigen belegen, dass der Falter sich weitgehend unabhängig vom Vorhandensein offener Strukturen im Wald reproduziert; er kann somit nicht zu den typischen Lichtwaldarten gezählt werden. Vielmehr bewohnt er anscheinend gut beschattete Habitate ebenso, sofern genügend Bestände der Wirtspflanzen vorhanden sind. An den hier besonders betrachteten Wirtspflanzen kann beobachtet werden, dass die Ablagehöhe deutlich höher ist (ca. 146 cm im Mittel), als bei Lonicera xylosteum (ca. 80 cm). Ferner wird gezeigt, dass Verluste bei den Raupen während der Überwinterung im Hibernaculum im Untersuchungszeitraum relativ gering waren.


1 Einleitung und Fragestellung

Limenitis camilla, der Kleine Eisvogel, ist der in Deutschland häufigste Vertreter der Gattung. Man findet den weit verbreiteten Falter von Westeuropa (äußerster Nordosten Spaniens und von Süd-England ostwärts) über die klimatisch gemäßigte Zone Asiens bis Japan. Nach Süden hin erstreckt sich sein Areal bis nach Mittelitalien, während er im Baltikum und in Südschweden seine nördliche Verbreitungsgrenze findet (Ebert & Rennwald 1991, Henriksen & Kreutzer 1982). In Deutschland ist er in allen Bundesländern nachgewiesen. Wohl aufgrund der großflächig veränderten Waldwirtschaft gilt der Falter inzwischen in den meisten Bundesländern als gefährdet. In der zweiten Fassung der Roten Liste des Saarlandes wird er ebenfalls als gefährdet eingestuft (Caspari & Ulrich 2008). Während der Kleine Eisvogel bis in die 1980er Jahre im Warndt ein vergleichsweise häufiger Falter war, sind seine Populationsgrößen dort in den letzten 30 Jahren deutlich zurückgegangen und an vielen, früher sehr guten Fundorten konnten überhaupt keine Falternachweise mehr erbracht werden. Neben der veränderten Waldwirtschaft kann im Warndt auch der Einfluss des Bergbaues und – damit verbunden – das Sinken des Grundwasserspiegels als Rückgangsursache nicht ausgeschlossen werden.

Am Ende des Sommers 2009 gelangen dem Autor eher zufällig erste Funde von Kotrippen, Exuvien und Hibernacula in einem offenbar gut besetzten Larvalhabitat des Kleinen Eisvogels am Deutschen Geißblatt (Lonicera periclymenum). Dies war der Anlass, systematischer nach der Art zu suchen. Im Saarland sind Nachweise des Kleinen Eisvogels an L. periclymenum kaum bekannt, solche an Schneebeere (Symphoricarpos albus) fehlten bislang (Ulrich & Caspari in Vorb., Ulrich, R. 2000). Es stellt sich also neben der aktuellen Bestandssituation auch die Frage, wo genau und wie gesucht werden muss, um einen Nachweis effektiv zu erbringen oder umgekehrt mit einiger Sicherheit ausschließen zu können.

Die umfangreichen Nachweise von Präimaginalstadien in diesem Jahr sollten Rückschlüsse auf die tatsächliche aktuelle Verbreitung und Gefährdung im Warndt erlauben. Weiter soll gezeigt werden, wie der Nachweis des Kleinen Eisvogels effizient über das Larvalstadium und dessen Spuren erfolgen kann. Ein weiterer Schwerpunkt wird den Eigenschaften der Larvalhabitate gewidmet, in denen die Wirtspflanzen L. periclymenum und S. albus genutzt werden.


2 Methode und Umfang der Untersuchung

2.1 Larvalhabitat und -biologie

Im Warndt beginnt die Flugzeit des Kleinen Eisvogels ab ca. der zweiten Juniwoche und einzelne Weibchen der ersten Generation können noch bis Mitte August beobachtet werden. Gewöhnlich bleibt es bei einer Generation – im sehr warmen Jahr 2003 wurde in vielen Teilen des Saarlandes eine zweite Generation nachgewiesen.

Für Baden-Württemberg werden als Wirtspflanzen Symphoricarpos albus, Lonicera tatarica (Tatarische Heckenkirsche), L. xylosteum (Rote Heckenkirsche), L. nigra (Schwarze Heckenkirsche) und L. periclymenum angegeben (Ebert & Rennwald 1991). Alle Arten sind Waldpflanzen und zählen zu den Geißblattgewächsen (Caprifoliaceae). Im Saarland sind S. albus, L. periclymenum und L. xylosteum von Bedeutung. S. albus ist ein Zierstrauch nordamerikanischer Herkunft, der besonders in Siedlungsnähe gerne verwildert. L. periclymenum ist eine atlantisch verbreitete Liane, die in Mitteleuropa die Ostgrenze ihres Areals erreicht. Größere Bestände gibt es in der nordwestlichen Hälfte Deutschlands, während die Art z. B. in Bayern bereits zu den Seltenheiten gehört. Sie wächst streng azidophytisch und fehlt den meisten Kalkgebieten. Nur im klimatischen Optimum erreicht sie als üppig wachsende Liane regelmäßig die Baumkronen; nahe der Arealgrenze ragen viele Populationen aus mesoklimatischen Gründen nicht über die Krautschicht hinaus. Dieser Umstand und die Tatsache, dass sich die Areale von L. periclymenum und L. camilla in Deutschland nicht sehr großflächig überlappen, erklären die bislang nur äußerst spärliche Dokumentation des Deutschen Geißblatts als wichtige Raupennahrungspflanze für den Kleinen Eisvogel. L. xylosteum ist ein basiphytischer Strauch, der insbesondere in den Kalk-Hügelländern und –Mittelgebirgen Deutschlands weit verbreitet ist. Die im Warndt gemachten Beobachtungen zur Bedeutung von L. periclymenum als Raupennahrungspflanze für L. camilla können vermutlich auf alle linksrheinischen deutschen Silikatgebiete übertragen werden.

Die Eiablage erfolgt an der Blattoberseite, wobei bis zu vier Eier in unmittelbarer Nähe abgelegt werden (eigene Beobachtungen im Untersuchungsgebiet). Nach ein bis zwei Wochen schlüpfen die Räupchen, die fünf Larvalstadien durchlaufen. Bereits am ersten Tag beginnt die Raupe mit dem so genannten Fahnenfraß und verlängert die Mittelrippe des Sitzblattes durch festgesponnenen Kot (Lederer 1960, Pollard 1979, Hermann 2007). Dieses Fraßbild ist vor der Überwinterung sehr charakteristisch. Für die Überwinterung baut die Raupe ein so genanntes Hibernaculum, indem sie meist das Sitzblatt am Ästchen festspinnt und an der Blattbasis eine Röhre zurecht spinnt. Die Überwinterung erfolgt vermutlich ausschließlich im L3–Stadium (Ebert & Rennwald 1991) – die Beobachtungen im Warndt bestätigen dies. Nach der Überwinterung verlassen die Raupen abhängig von der Witterung ab Anfang April das Hibernaculum und sie wachsen danach zügig bis zur Verpuppung. Diese erfolgt als Stürzpuppe vorzugsweise an der Mittelrippe der Blattunterseite, nahe am Blattstiel oder auch direkt am Zweig (eigene Funde von Exuvien im Untersuchungsgebiet).

Vielfach wird der Kleine Eisvogel als Lichtwaldfalter (Ulrich 2002, Ulrich, R. & S. Caspari 2007) bezeichnet und als bevorzugte Flugstellen sind sonnige Waldwege, -ränder und -lichtungen, in deren Nähe die Wirtspflanzen wachsen, angegeben (Lederer 1951, Schweizerischer Bund für Naturschutz 1987). Als Nahrungsquelle des Falters dienen Baumsäfte, feuchte Böden, Aas, Exkremente und Blüten (Lederer 1951) sowie vermutlich Honigtau als Nektarersatz. Für die Eiablage werden Pflanzen schattiger und luftfeuchter Standorte in Waldrandnähe bevorzugt (Pollard 1979, Ebert & Rennwald 1991, Weidemann 1995). Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung lassen im Untersuchungsgebiet diesbezüglich teilweise Abweichungen erkennen, die hier diskutiert werden sollen.

2.2 Erfassungsmethodik

Die Geländekartierung wurde mit Hilfe eines GPS–Gerätes (Garmin GPSmap 60CSx) unterstützt – dabei erwies es sich als hilfreich, dass topographische Karten im Maßstab 1:25.000 auf dem Gerät verfügbar waren. Jeder einzelne Fundpunkt wurde auf mindestens 10 Meter genau festgehalten. Erfasst wurden jeweils die Anzahl der lebenden Raupen, die Zahl der nicht mehr belegten Hibernacula, die Zahl der Kotrippen (sofern kein Hibernaculum in unmittelbarer Nähe angelegt war) und die Zahl der Exuvien. Die Erfassung der Daten erfolgte mit Hilfe des Programmes RECORDER-D. Die Wirtspflanzenstandorte und die entsprechende Wirtspflanzenbeziehung wurden dort ebenfalls erfasst. Für diese Aufgabenstellung erweist sich die Möglichkeit, mit angepassten Feldlisten und der Rucksackfunktion zu arbeiten, als äußerst hilfreich für eine effiziente Datenerfassung. Zusätzlich wurde für einen repräsentativen Teil der Funde die Fundhöhe über Geländeoberkante erhoben und ausgewertet. Weitere Merkmale wie die Entfernung zur nächsten offenen Struktur (Waldweg, Lichtung etc.) oder Merkmale des Mikroklimas wurden wegen dem damit verbundenen hohen Aufwand nicht systematisch erhoben, aber qualitativ bewertet.

Das angewendete Suchschema nach Kotrippen und Hibernacula ist in der Literatur gut beschrieben (Hermann 2007) und wird hier für die beiden Wirtspflanzen L. periclymenum und S. albus adaptiert und verfeinert.

In ausgewählten Probeflächen, die sowohl qualitativ als auch quantitativ bearbeitet wurden, wurde möglichst flächendeckend qualitativ die Anwesenheit bzw. Absenz des Kleinen Eisvogels untersucht. Hierzu wurde die Suche nach den ersten Funden abgebrochen, um möglichst viele weitere Fundstellen zu besuchen. Eine zielgerichtete Nachsuche zur Flugzeit der Falter sollte überdies Erkenntnisse zum Verhalten liefern.

2.3 Untersuchungsgebiet

Es wurde ein Hauptuntersuchungsgebiet festgelegt, welches vollständig und unter Berücksichtigung eines möglichst breiten Spektrums von möglichen Fundstellen und Wirtspflanzen untersucht werden sollte. Dies bedeutet, dass die regionale Verbreitung unabhängig von Aspekten wie Mikroklima, Alter und Wuchs der Wirtspflanze sowie die unmittelbare Nähe geeigneter Falterhabitate untersucht wurde. Dieses Untersuchungsgebiet schließt sich an die erste Fundstelle, an der bereits im Sommer Nachweise erbracht werden konnten, an.

Nachdem sich durch die gemachten Erfahrungen im Hauptuntersuchungsgebiet das Suchschema an L. periclymenum deutlich schärfer fassen ließ, wurden weitere Probeflächen untersucht. Diese sollten einerseits gewisse Mindestansprüche an das Larvalhabitat erfüllen (vorhandene Wirtspflanze) und andererseits sollten Habitate untersucht werden, in denen während der letzten Jahre nach Faltern gesucht wurde. Darunter sollten sich auch Probeflächen befinden, in denen der Nachweis von L. camilla in den letzten zehn Jahren trotz Nachsuche nicht gelungen war. Aus diesem Vorgehen sollte eine Einschätzung entwickelt werden, inwiefern ein Nachweis über Präimaginalstadien auch an L. periclymenum besser oder schlechter geeignet ist, als die Suche nach Faltern zur Flugzeit.

Die weiteren Probeflächen wurden anhand topographischer Karten und von Satellitenbildern (Google Earth) vorselektiert und durch Strecken ergänzt, an denen L. periclymenum vorkommt. Gute Bestände vom Deutschen Geißblatt finden sich im Warndt mit einer gewissen Präferenz in feuchteren Senken mit jüngerem Baumaufwuchs Solche feuchten Senken können auf topographischen Karten gut angesprochen werden. Eine Überprüfung im Satellitenbild ergibt zusätzlich, ob dort mit geschlossenem Hochwald (Erfolgsaussichten schlechter) oder mit offeneren Strukturen zu rechnen ist. Zusätzlich wurden alle eher zufällig entdeckten Wirtspflanzenvorkommen stichprobenweise kontrolliert – auch dann, wenn sie zunächst als ungeeignet erschienen.

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Abb. 1: Anhand solcher Strukturen kann man potenziell geeignete Untersuchungsflächen finden. Senken in Wegrandnähe möglichst im Kontext mit Bachläufen bieten eine gute Ausgangsbasis für erste Nachsuchungen. Eine zusätzliche Überprüfung über die Satellitenbilder kann herangezogen werden, den Bewuchs dort grob zu bewerten. Kann man den Weg von oben noch gut erkennen, lohnt sich eine Untersuchung im Regelfall.

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Abb. 2: Lage des Warndts im Süd-Westen des Saarlandes.

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Abb. 3: Alle untersuchten Strecken sind durch die roten Linien kenntlich gemacht. Insgesamt wurden 33 Begänge mit einer Gesamtlänge von 170 km durchgeführt. Die Fundpunkte sind durch blaue Symbole repräsentiert. Sie können den Kartenausschnitt vergrößern und verkleinern.


3 Ergebnisse

3.1 Suchschema an der Wirtspflanze Lonicera periclymenum

Zum Erlernen der nachfolgenden Suchschemata wird empfohlen, bereits im Spätsommer (ab ca. Mitte August) mit der Suche zu beginnen. Es ist sehr hilfreich, zu verstehen, wie sich die Sitzblätter sukzessive durch den Witterungseinfluss und die Aktivität der Räupchen verändern. Die folgenden Ausführungen sind das Ergebnis der bei der intensiven Suche gemachten Erfahrungen und basieren im Übrigen auf dem beschriebenen Suchschema bei Hermann (2007). Bereits in der zweiten August-Hälfte befinden sich viele Raupen im Hibernaculum.

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Abb. 4: Raupe beim Bau der Kotrippe. Gut ist der Fahnenfraß zu erkennen – das Hibernaculum ist noch nicht begonnen, obschon das Blatt an der Pflanze bereits durch Spinnfäden gesichert ist.

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Abb. 5: Die Raupe oben links ist beim Fahnenfraß, während die Raupe auf dem unteren Blatt sich auf der Unterseite des Blattes befindet und das Blatt festspinnt.

Im Spätsommer gestaltet sich die Suche sehr einfach, da erstens die Abundanz am höchsten ist und andererseits die Objekte, nach denen gesucht wird, noch sehr viel größer und einfach zu erkennen sind (Kotrippe, Fraßbild). In einem potenziell geeigneten Larvalhabitat sucht man mindestens in halbschattiger Lage befindliche Pflanzen vom äußeren Rand der Untersuchungsfläche nach innen ab. Dabei beschränkt man sich auf die gut mit der Hand erreichbare Höhe (0,8–2 m); dies ist die wichtigste Abweichung gegenüber der Suche an L. xylosteum (vgl. Kap. 3.3). Viele der Blätter sind im Spätsommer noch grün und im Regelfall sind diejenigen, an denen sich Raupen und Kotrippen befinden, bereits welk und bräunlich. Das mag daran liegen, dass die Raupen Saftbahnen kappen – dieses konnte der Autor aber nicht nachweisen. Man sucht also in erster Linie nach welken Blättern, die noch an der Pflanze haften. An diesen sind oft schon aus einiger Entfernung die Kotrippen zu erkennen. Nicht selten sind 2–3 Kotrippen in direkter Nachbarschaft entsprechend üblicher Gelegegrößen zu finden. Man wird bei der eigenen Suche bald feststellen, dass Blätter mit Kotrippen meist in den äußersten Extremitäten der Pflanze zu finden sind und keineswegs im Gewühl der Lianen von L. periclymenum. Es lohnt sich auch, auf gut belegten Pflanzen nach Exuvien zu suchen, um einen sicheren Reproduktionsnachweis zu erbringen.

Sowohl im Spätsommer als auch im Winter ist das Vorhandensein der charakteristischen Spinnfäden am Blattansatz eine ausreichende Sicherheit für den Nachweis der Art, sofern die Schwesterart Limenitis reducta, der Blauschwarze Eisvogel, im jeweiligen Untersuchungsgebiet fehlt. Die Spinnfäden sind gelb-braun und daher kaum mit ähnlichen, aber weniger belastbaren Spinnfäden anderer Raupen oder Spinnen zu verwechseln. Zum Nachweis zupft man mit einer spitzen Pinzette das verdächtige Blatt vom Zweig etwas ab. Die Spinnfäden leisten einen elastisch–stabilen Widerstand, der mit einiger Übung sofort als typisch erkannt werden kann. Es ist nicht erforderlich, die Blätter bei dieser Prozedur von der Unterlage zu trennen. Alternativ kann man mit etwas mehr Zeitaufwand auch optisch mit einer guten Einschlaglupe das Vorhandensein der Spinnfäden nachweisen. Zu den effizientesten Suchmethoden des Autors gehört es inzwischen, alle verdächtigen Objekte anzuzupfen, da Hibernacula ein vom Zufall geprägtes Erscheinungsbild haben und oft schwer zu erkennen sind. Wer damit Erfahrungen sammelt, wird alsbald mit hoher Sicherheit die richtigen Blätter zuerst zupfen.

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Abb. 6: Typische Erscheinungsform von Kotrippen im Spätsommer (Bild oben links, oben rechts und unten links). In der Umgebung sind oft noch grüne Blätter zu finden. Befallene Blätter sind im Regelfall früher welk und verrotten bald bis auf die versponnenen Bereiche. Im Bild links befinden sich an einem Trieb drei Blätter mit drei Kotrippen – darin konnten drei lebende Raupen nachgewiesen werden. Die Hibernacula werden bereits früh im August angelegt und sind in den abgebildeten Blättern fast vollständig fertig gestellt. Das Bild links unten zeigt den gar nicht so seltenen Fall, dass zwei Blätter zu einer „Kotrippen-Attrappe" zusammengebaut wurden (die Blätter sind an der Blattspitze zusammengesponnen, während nur ein Blatt an der Basis festgesponnen ist, das zweite hat sich von der Pflanze gelöst). Der Täter in diesem Fall war eine kleine Spinne. Die Pseudo-Kotrippe ist der Blattansatz des zweiten Blattes. Die Unterscheidung über die Spinnfäden am Blattansatz ist in diesem Fall aber einfach möglich.

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Abb. 7: Oben und in der Mitte sind typische Kotrippen im Sommeraspekt abgebildet – typisch ist der fest gesponnene Krümel (Reste der Blattfahnen – manchmal wird die alte Raupenhaut dort ebenfalls mit versponnen). Unten eine Exuvie aus dem Frühjahr: sie werden regelmäßig in der Nähe von Kotrippen gefunden und gelten als Reproduktionsnachweis.

Für die Wirtspflanzen L. periclymenum und S. albus kann festgestellt werden, dass die Hibernacula im Regelfall an den Blättern, an denen sich auch die Kotrippen befinden, angelegt werden. Vor der Überwinterung beschränkt sich der Aktionsraum einer Raupe im Regelfall auf ein einziges Blatt. Bei der Herstellung des Hibernaculums wird die Blattbasis sehr stabil mit dem Zweig versponnen. Das Gespinstpolster wird flächig über den gesamten Blattansatz bis auf die eigentliche Sitzfläche gefertigt. Die Blatttüte, die das Hibernaculum bildet, entsteht, indem die Blattränder zusammengesponnen werden. Dass die Räupchen, die zu diesem Zeitpunkt noch etwa 5–7 mm lang sein können, die Blätter passend für das Überwinterungsgespinst nagen, kann für L. periclymenum und S. albus nur eingeschränkt bestätigt werden. Bei S. albus wurde mehrfach beobachtet, wie das gesamte verbliebene Blatt oder auch ein neues zusammengesponnen wurde. Bei L. periclymenum wurden viele vollständig ausgeprägte Hibernacula in vollständig vertrockneten bzw. in Verrottung befindlichen Blättern entdeckt, ohne dass erkennbar war, dass die Blätter zu diesem Zweck zurecht genagt wurden. Eventuell könnte das Kappen der Saftleitungen hier einen frühen Verrottungsprozess fördern. Dieser Verrottungsprozess verläuft bei Blättern der genannten Wirtspflanzen sehr schnell. Lediglich in den versponnenen Bereichen bleibt der Zusammenhalt gewährleistet, während die übrigen Teile des Blattes früher oder später einfach abzufallen scheinen. Dieses konnte bei einigen wiederholt aufgesuchten und vorher markierten Hibernacula bestätigt werden. Es scheint der Regelfall zu sein, dass das Blatt mit der Kotrippe für das Hibernaculum gewählt wird. In vielen Fällen konnte eine verbliebene Kotrippe und ein Hibernaculum an einem Nachbarblatt nachgewiesen werden. Bei S. albus scheint dies aufgrund der geringeren Blattgröße häufiger der Fall zu sein. Die große Menge an Spinnfäden legt den Schluss nahe, dass eine Eiraupe vor der Überwinterung nur ein einziges Blatt befrisst und dieses gegen mögliches Abfallen bereits sehr früh sichert. Im Herbst und Winter befinden sich die Raupen in fertigen Hibernacula, von denen die Kotrippen und sonstigen Blattreste meist, längst aber nicht immer, abgefallen bzw. abgetrennt sind. Die Räupchen sind während der Überwinterung nur noch zwischen 3 und 5 mm groß (Flüssigkeitsverlust zum Schutz vor Erfrieren). Auffällig ist, dass Raupen in sehr luftfeuchten Bereichen (z. B. über der Wasseroberfläche eines Weihers) oft größer sind. Möglicherweise ist dort der Flüssigkeitsverlust über den Winter hinweg weniger stark. Nach der Überwinterung erreichen die Raupen schnell wieder ihre ursprüngliche Größe von 5–7 mm durch Aufnahme von Flüssigkeit.

Im Herbst und Winter muss man das Suchverfahren leicht anpassen. Zwar gehört das Zupfen noch zur Hauptmethode, doch muss man nun nicht mehr die welken Blätter inmitten von grünen Blättern suchen. Normalerweise ist das Gezweig in den Bereichen wo Hibernacula gefunden werden, im Winter vollständig kahl. Bei L. periclymenum verbleibt in milden Wintern öfter zu einem gewissen Anteil überdauerndes grünes Laub in Bodennähe, wo jedoch kaum mit Hibernacula zu rechnen ist. Hängen sehr viele vertrocknete Blätter noch am Ast, so sind diese Bereiche selten mit Hibernacula belegt. Dies ist möglicherweise ein Hinweis auf nicht ausreichend vorhandene Luftfeuchte, bei der sonst der Verrottungsprozess sehr schnell verläuft. So können Pflanzen, die noch über und über mit trockenem Laub behangen sind, von der Suche vorerst ausgeschlossen werden. Die heruntergefallenen Blätter, die noch an einem Ast kleben und dort verrotten, können bei der Suche ignoriert werden und sie sind leicht von denen, die sich noch am Blattansatz befinden, zu unterscheiden. Jedes Blatt, welches noch am Blattansatz hängt, ist genauer zu untersuchen und wird gezupft. Später im Jahr werden die nicht von Raupen bewohnten Blätter, die noch nicht genügend verrottet sind um abzufallen, immer weniger und beim Zupfen leisten die verbliebenen keinerlei elastischen Widerstand. Diejenigen Blätter, die noch elastischen Widerstand leisten, sind nun an der Blattbasis zu untersuchen. Über die Färbung der Spinnfäden ist ein Artnachweis sicher möglich, sofern Limenitis reducta im Untersuchungsgebiet ausgeschlossen werden kann. Meist wird man jedoch auch die Raupe im Hibernaculum entdecken. Möchte man die Nachweise quantitativ machen, ist es praktikabel, nur noch zu zupfen. Dieses Verfahren bedarf einiger Übung, ist dann aber durchaus sicher. Von Spinnen oder anderen Raupen fest gesponnene Blätter sind längst nicht so stabil und elastisch mit dem Zweig verbunden.

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Abb. 8: Klassische Erscheinungsformen von Hibernacula im Winter. Die Spinnfäden sind oft schon mit bloßem Auge gut zu erkennen. Was zu Beginn oft überrascht, ist die geringe Größe der Hibernacula, nachdem die Blattreste erst einmal abgefallen sind. Sie sind nicht viel größer als die Raupe und messen somit kaum mehr als 5 mm. Die Zweige, an denen sie hängen, sind selten dicker als 2 mm und als Sitzunterlagen für Vögel wegen der fehlenden Stabilität nicht geeignet.

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Abb. 9: Im Bild oben ist die Ausnahme zu sehen – diese Raupe hat wohl etwas zu sparsam gesponnen oder das Blatt wurde abgerissen. Mitte: solche übriggebliebenen Kotrippen werden im Winter seltener – an trockenen Standorten kommt es etwas häufiger vor. Die Raupe hatte sich im Blatt dahinter (weiter rechts) ein Hibernaculum gesponnen. Im Bild unten ist nur noch eine Kotrippe zurückgeblieben.

3.2 Suchschema an der Wirtspflanze Symphoricarpos albus

Symphoricarpos albus wächst ähnlich wie L. xylosteum. Ob nun die Ablagehöhe eine Funktion des Kleinklimas oder stärker von der Wirtspflanze abhängig ist, kann hier nicht abschließend geklärt werden. Verglichen mit den Funden an L. periclymenum sind diejenigen an S. albus tendenziell etwas niedriger, jedoch immer noch deutlich höher als diejenigen auf L. xylosteum in anderen Gebieten. An Fundstellen im Untersuchungsgebiet, an welchen beide Wirtspflanzen gemeinsam vorkommen, werden beide ohne erkennbare Präferenz belegt und die Fundhöhe ist nicht signifikant unterschiedlich. Für Lebensräume mit S. albus bleibt festzuhalten, dass die Hibernacula ähnlich wie bei L. periclymenum selten in Bodennähe zu finden sind. Die bevorzugte Ablagehöhe ist hier ebenfalls in gut handerreichbarer Höhe. An mehreren Fundorten konnten Raupen und Hibernacula sowohl an S. albus als auch an L. periclymenum festgestellt werden – es scheint also keine lokal fixierte Bevorzugung der einen oder anderen Nahrungspflanze zu geben. Dies bestätigen Funde im Bliesgau bei Walsheim (Kalkgebiet, in dem überwiegend L. xylosteum vorkommt und als Wirtspflanze genutzt wird). Dort befinden sich in einem kleinen Waldgebiet nur wenige Pflanzen der Gemeinen Schneebeere. Diese sind aber sehr dicht mit Raupen des Kleinen Eisvogels besetzt. Auf einer Pflanze konnten über 20 Raupen gezählt werden. In unmittelbarer Nähe wuchsen keine alternativen Wirtspflanzen wie z. B. L. xylosteum.

3.3 Auswertung zur Ablagehöhe

Für insgesamt 331 Einzelnachweise wurde die Fundhöhe zwischen Januar und März 2010 exakt erhoben. Die Ablagehöhe bei L. periclymenum ist deutlich höher als bei L. xylosteum; diese Beobachtung deckt sich mit Beobachtungen in Südengland (Asher et al. 2001) und Nordrheinwestfalen (Steiner 2004). Es ergab sich folgende Verteilung auf den Wirtspflanzen:

Tab. 1: Ablagehöhe nach Wirtspflanze

 

Wirtspflanze

Anzahl

Minimum

Mittel

Maximum

Lonicera periclymenum (Warndt)

214

45 cm

146 cm

225 cm

Symphoricarpos albus (Warndt)

85

30 cm

118 cm

200 cm

Lonicera xylosteum (Bliesgau)

32

30 cm

80 cm

180 cm

Ersten Vortests (F-Test) zufolge ist die größere Ablagehöhe bei L. periclymenum gegenüber L. xylosteum signifikant. Für belastbarere Angaben müsste jedoch für L. xylosteum und S. albus eine größere Grundgesamtheit ermittelt werden.

3.4 Parasitierungsgrad

Insgesamt wurden 65 lebende Raupen im Winter 2009/2010 eingetragen. Im Frühjahr erschienen Anfang April nach reichlicher Befeuchtung 52 Raupen aus dem Winterquartier – die restlichen waren vertrocknet. Es gelang, 45 Raupen bis ins letzte Larvalstadium auf S. albus zu züchten. 4 Raupen zeigten eine verlangsamte Entwicklung und setzten sich erst ca. 2 Wochen nach den anderen zur Verpuppung fest; sie waren von Schlupfwespen parasitiert. Es kann also ein Parasitierungsgrad von ca. 9% abgeleitet werden. Insgesamt konnten 37 Falter in die Freiheit entlassen werden.

3.5 Die Larvalhabitate im Untersuchungsgebiet

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Abb. 10: Die blauen Symbole repräsentieren Fundpunkte des Kleinen Eisvogels im Warndt sowie im angrenzenden Stiftswald bei Klarenthal, welcher naturräumlich ebenfalls zum Warndt gerechnet wird .

Im Untersuchungsgebiet kann eine vermutlich vollständig verbundene (offene), gut ausgeprägte und räumlich strukturierte Population festgestellt werden. Es gab nur wenige Untersuchungsstrecken ohne Nachweise trotz Vorhandensein der Wirtspflanzen. Insgesamt zeigen die Verbreitungsschwerpunke im Warndt, dass feuchtere Standorte tatsächlich gegenüber den trockeneren bevorzugt werden – dennoch werden auch relativ trockene Bereiche mit geringerer Deckung besiedelt. Eine relativ hohe Luftfeuchte ist an allen nachgewiesenen Standorten entweder schon durch den bodenfeuchten Standort, die Nähe zu einem Gewässer oder zumindest eine gute Beschattung im Waldesinneren gewährleistet. An sonnenexponierten Pflanzen konnten nur wenige Nachweise erbracht werden und in allen Fällen war dann der Untergrund recht feucht.

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Abb. 11: Das Hauptuntersuchungsgebiet (blaue Markierung im Zentrum) befindet sich im langgestreckten Werbelner Bachtal, das sich vom Warndtweiher bis nach Werbeln durch ein Wasserschutzgebiet erstreckt (= Waldwiesentalweg bei Ludweiler). Das Bachtal ist in weiten Bereichen längst trocken gefallen, doch handelt es sich immer noch um ein vergleichsweise feuchtes Gebiet, das insofern gute Voraussetzungen als Larvalhabitat für Limenitis camilla bietet (hohe Luftfeuchte).

Das Hauptuntersuchungsgebiet Werbelner Bachtal ist in vielerlei Hinsicht typisch für die Larvalhabitate des Kleinen Eisvogels im Warndt. Beidseits des ehemaligen Bachlaufes befindet sich je ein Waldweg; der breitere, nordseits gelegene, ist stärker besonnt. Beinahe auf der gesamten Strecke bietet sich ein ausreichendes Nektarangebot für die Falter – hauptsächlich Brombeeren. Bereiche, die mit jungen (ca. 15 Jahre alten) Eschen und Zitterpappeln bestanden sind, wechseln sich mit Fichtenforsten und jüngerem Buchen– und Birkenaufwuchs ab. Der Standort kann als eines der Populationszentren des Kleinen Eisvogels im Warndt gelten, da er erstens sehr ausgedehnt ist und zweitens die Belegungsdichte im Vergleich die höchste aller untersuchten Standorte ist. Der in einem Wasserschutzgebiet gelegene Talgrund weist ein für den Warndt inzwischen seltenes Maß an Feuchtigkeit auf. Durch den Bergbau bedingt fiel der Grundwasserspiegel bis zum Abschalten der Pumpen im Jahre 2006 erheblich ab (WARNDT.EU 2006) und viele Lebensräume im Warndt haben inzwischen ihren ursprünglichen Charakter verloren. Nach 2006 wird bis frühestens im Jahr 2032 der Gleichgewichtszustand der Grundwasserhaltung wieder hergestellt sein. Dies wird mit einem Grundwasseranstieg zwischen 5 – 110 m einhergehen, während der stärkste Anstieg im Südwesten (v. a. Nassweiler und Emmersweiler) erwartet wird (Wagner 2010). Im Zuge des Grundwasseranstieges wird damit gerechnet, dass Vernässung und geringe Flurabstände des Grundwassers zunehmen werden (Wagner 2010).

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Abb. 12: Blick in den jungen Eschenaufwuchs des Hauptuntersuchungsgebietes. Mit den etwa 15-jährigen Eschen sind die Lianen von Lonicera periclymenum zu teils dichten Geflechten herangewachsen. Das Vorhandensein wirklich großer Bestände der Wirtspflanzen scheint eine der Hauptvoraussetzungen eines guten Larvalhabitates zu sein.

Es ist nicht angebracht, die Beschreibung der Larvalhabitate auf solche Standorte einzuschränken. Daher sollen nun einige weniger typische Fundorte kurz charakterisiert werden. Die Anforderungen des Kleinen Eisvogels an das Kleinklima scheinen zumindest im Warndt nicht allzu spezifisch ausgeprägt zu sein. Im Umkreis der Kerngebiete seiner Larvalhabitate belegt der Kleine Eisvogel fast alle verfügbaren Nahrungspflanzen, sofern diese nur genügend vertreten sind. Im Umfeld von mehreren hundert Metern isoliert stehende Pflanzen hingegen werden bei der Eiablage selten berücksichtigt.

Aus den Erfahrungen im Warndt kann man schließen, dass L. periclymenum nur dort gute Lianen-artige Bestände ausbilden kann, wo jüngere Bäume als Rankunterlage genutzt werden können. Ältere Bäume sind aufgrund des Stammumfanges nicht mehr zum Hochranken geeignet; durch das sich höher und dichter schließende Laubdach älterer Bäume wird den Rankpflanzen früher oder später so viel Licht entzogen, dass die Pflanze in den unteren Regionen keine vitalen Triebe mehr hervorbringen kann. In Randbereichen können sich Ranken an älteren Bäumen halten und werden oft sehr mächtig. Meist ist dann die Besonnung aber schon so stark, dass die Anforderungen des Kleinen Eisvogels an das Mikroklima auch auf der lichtabgewandten Seite nicht mehr erfüllt werden. In Wäldern ohne perfekten Kronenschluss – z. B. Erlen- Eschenwälder – kann L. periclymenum auch ältere Bäume nutzen und der Kleine Eisvogel bewohnt solche Lebensräume regelmäßig. In älteren Buchenbeständen mit geschlossenem Kronendach findet L. periclymenum keinen Lebensraum mehr. Neben dem Baumaufwuchs scheint eine gewisse Feuchtigkeit Grundvoraussetzung für das Wachstum von L. periclymenum zu sein. Im gesamten Warndt konnte der Autor lediglich einen Lebensraum finden, in welchem zwar die Wirtspflanze ausreichende Bestände in ausreichender Beschattung bildet, der Kleine Eisvogel aber nur in sehr wenigen Exemplaren nachgewiesen werden konnte. Dies ist das Grohbruchbachtal bei Emmersweiler bis zur Sprossmannsquelle (siehe Abb. 12). Auch in früheren Jahren konnten dort nie Falter beobachtet werden, obschon der Lebensraum zunächst geeignet erscheint. Das Tal ist verglichen mit den übrigen Untersuchungsgebieten deutlich wärmer und möglicherweise sind die Anforderungen an das Mesoklima dort nicht ausreichend erfüllt. Pflanzen werden nach den Erfahrungen des Autors meist nur belegt, sofern sie im Halb- und bevorzugt sogar Vollschatten stehen. Besonnt stehende Pflanzen auf trockenen Standorten im Warndt werden als sehr seltene Ausnahme für die Eiablage genutzt. Insgesamt zeigt der Kleine Eisvogel im Warndt in Lebensräumen mit L. periclymenum eine relativ breite Toleranz bzgl. der Standorte, obschon deutliche Populationshäufungen um die feuchteren Bereiche festgestellt werden können.

ABB13

Abb. 13: Das Grohbruchbachtal in Emmersweiler (blau umrandet) erscheint auf den ersten Blick als Larvalhabitat sowie als Falterhabitat geeignet. Dennoch konnten hier kaum Larvalnachweise (blaue Quadrate) erbracht werden und auch Falter konnten über viele Jahre nicht nachgewiesen werden. Durch die wärmebegünstigte Lage des Standortes finden sich vermutlich zu wenige Nischen mit geeignetem Mikroklima.

ABB14

Abb. 14: Diese Windwurffläche (blaue Markierung, Lauterbach – Waldwiesentalweg und Wolfschneis) ist inzwischen von dichtem, jungem Baumaufwuchs (hauptsächlich Birken) geprägt. Es sind inzwischen kaum noch öffnende Strukturen (Lichtungen, Wege) vorhanden. Dennoch lässt das Kronendach noch genügend Licht durch, sodass sich starke Bestände von Lonicera periclymenum bilden können. Auf der zufällig durchwanderten Strecke fanden sich immer wieder Hibernacula, Kotrippen und auch Exuvien. Ausgehend von den feuchten Populationszentren (mit hoher Abundanz) werden scheinbar alle verfügbaren Wirtspflanzen der erreichbaren Umgebung belegt.

Dass in unmittelbarer Nähe des Larvalhabitates geeignete Saugpflanzen vorhanden sein müssen, ist den gemachten Erfahrungen nach keine zwingende Voraussetzung. Dies belegen Funde in einer ehemaligen Windwurffläche (vgl. Abb. 13), auf der flächendeckend Birken und Weichhölzer im Alter von ca. 15–20 Jahren wachsen. Darin sind flächig gute Bestände von L. periclymenum und Nachweise von Raupen, Hibernacula und Kotrippen sind überall dort möglich, während kaum Lichtungen eingestreut sind, auf denen sich blühfähige Brombeeren oder andere Saugpflanzen befinden. Die umgebenden Wege, an denen sich auch die Falterflugstellen nach klassischem Muster befinden, sind dort mehrere hundert Meter entfernt. Die Weibchen fliegen also auf der Suche nach geeigneten Eiablagepflanzen tief ins Waldesinnere bzw. halten sich sowieso dort auf. Sie haben vermutlich ein breiteres Nahrungsspektrum (Honigtau?) als bisher angenommen. Man kann annehmen, dass, so weit Wirtspflanzen im Umfeld der Populationszentren vorkommen, diese auch belegt werden.

ABB15

Abb. 15: Solche Baumbestände in feuchtkühlen Senken (z. B. Bachtäler und Ausläufer) sind typisch und werden in hoher Dichte für die Eiablage genutzt. Sie bieten Lonicera periclymenum beste Voraussetzungen, hochzuranken. Im Vordergrund (Wegrand) befinden sich Saugpflanzen (v. a. Brombeeren). Da dieser Baumaufwuchs noch recht jung ist, wird sich diese Stelle sicher noch viele Jahre als Larvalhabitat für den Kleinen Eisvogel eignen. Im Hintergrund befindet sich eine Freifläche im Verbuschungsstadium, an die sich die oben beschriebene (ehemalige) Windwurffläche anschließt.

Für das Hauptuntersuchungsgebiet und die Ausläufer des Werbelner Bachtals zeigen sich besonders deutlich die Bedeutung und der positive Einfluss jungen Baumaufwuchses. Dort sind in verschiedenen Abschnitten des Tals unterschiedlich alte Bäume zu finden, an denen die Wirtspflanzen hochranken können. Ohne einen regelmäßigen Holzeinschlag und Maßnahmen, die dazu dienen, die Wege offen zu halten, schließt sich das Kronendach oft so dicht, dass L. periclymenum verschwindet. Ein gutes Beispiel für eine solche Entwicklung zeigt das Tälchen vom Petersweiher in Emmersweiler. Nicht unähnlich dem Werbelner Bachtal hatte es vor etwa 20 Jahren die vermutlich höchste Individuendichte des Kleinen Eisvogels im Warndt. Inzwischen ist es von einem hochgeschlossenen Kronendach so weit verdunkelt, dass kaum noch Bodenvegetation vorhanden ist. Es konnten dort nur noch wenige Nachweise an den letzten verbliebenen L. periclymenum erbracht werden. An einer Pflanze direkt am Petersweiher konnten noch 10 Raupen gefunden werden. Dies ist im angeführten Beispiel weniger ein Indiz für die Vorliebe zur Wassernähe als dafür, dass die letzten verfügbaren Pflanzen belegt werden, bevor die Population endgültig zusammenbricht. Für den Kleinen Eisvogel ist jedoch im Untersuchungsgebiet die Vernetzung der Standorte untereinander noch so gut, dass solche Bereiche immer wieder besiedelt werden können, solange nur Wirtspflanzen verfügbar sind.

ABB16-1 ABB16-2

Abb. 16: An Lonicera periclymenum wie dieser in schattiger Lage sind die Aussichten auf Erfolg sehr hoch. Meist wird man schon nach wenigen Sekunden fündig und fünf Hibernacula an einer solchen Pflanze sind keine Seltenheit. Nahe am Boden und in der Krautschicht ist die Suche wenig erfolgversprechend. Die bevorzugte Höhe für die Eiablage ist in bequem handerreichbarer Höhe, so dass man sich sehr selten bücken muss.

ABB17

Abb. 17: Lebensräume, in denen Symphoricarpos albus als Nahrungspflanze genutzt werden, sind nicht an den Aufwuchs junger Bäume gebunden. Die Biotope sind ähnlich zu bewerten wie diejenigen, in denen Lonicera xylosteum als Nahrungspflanze genutzt wird. Der abgebildete Standort (Schlauchstal in Großrosseln) ist relativ dunkel und der Weg zeigt nur im unteren Bereich etwas offenere Strukturen. Es zeigt sich, dass die beiden Hauptfaktoren – ausreichender Wirtspflanzenbestand und beschattete Lage – von ausschlaggebender Bedeutung sind. Sicher spielt auch die Konnektivität solcher Wirtspflanzenbestände untereinander eine große Rolle, damit eine Metapopulation stabil bleibt.

Lebensräume mit S. albus sind im Warndt für die Vernetzung der Teilpopulationen bedeutsam, da hier das Vorhandensein jungen Baumaufwuchses keine Voraussetzung ist. Das Mikroklima in schattiger bis halbschattiger Lage ist dort sicher das Hauptkriterium. Auch etwas ruderalisierte und siedlungsnahe Waldbestände eignen sich dadurch als Larvalhabitat. Somit kann die Gemeine Schneebeere das Überleben des Kleinen Eisvogels noch in Bereichen ermöglichen, wo durch flächige Hochwaldwirtschaft die klassischen Lebensräume bereits verschwunden sind. Dies ist hauptsächlich in der Nähe von Waldrändern und Wegen gewährleistet, an denen regelmäßig und unerlaubterweise Grünschnitt aus Gärten entsorgt wird. Die Gemeine Schneebeere breitet sich dann recht schnell und in großen Beständen aus. Die gezielte Aussaat von Gemeiner Schneebeere hätte sicherlich einen deutlich positiven Einfluss auf die Populationen des Kleinen Eisvogels.

Tab. 2: Nachweise – L p = Lonicera periclymenum, S a = Symphoricarpos albus, R = lebende Raupen im Hibernaculum, H = verlassene Hibernacula, K = Kotrippe oder Sitzblatt ohne Hibernaculum, E = Exuvie. Da die Koordinaten pro Wirtspflanze aufgenommen wurden, werden sie hier nicht wiedergegeben, da dies den Rahmen sprengen würde. Die genauen Daten können beim Autor erfragt werden.

 

Fundort

Gesamt

L p

S a

R

H

K

E 

Differten – Eulenmühle

52

52

 

31

15

4

2

Differten – Munitionsdepot

6

6

 

4

 

2

 

Emmersweiler – Förstergedenkstein

6

6

 

2

2

2

 

Emmersweiler – Hirschelheck

27

27

 

19

4

4

 

Emmersweiler – Kressbrunnenbach

6

6

 

4

2

 

 

Emmersweiler – Petersweiher

27

27

 

15

8

4

 

Emmersweiler – Schnellswiese

2

2

 

 

2

 

 

Emmersweiler – Schwarzer Weg/Bergmannspfad

2

2

 

2

 

 

 

Emmersweiler – Unteres Rosseltal

4

4

 

2

 

2

 

Großrosseln – Schlauchstal

16

4

12

12

2

2

 

Karlsbrunn – L 276

6

 

6

4

 

 

2

Karlsbrunn – Lauterbacher Straße/Ortsrand

17

4

13

15

2

 

 

Karlsbrunn – Umgebung Bergwerk Warndt

49

49

 

27

12

10

 

Klarenthal – Neu Aschbach

4

4

 

4

 

 

 

Klarenthal – Stiftswald

67

67

 

48

13

4

2

Lauterbach – Bergmannspfad/Mühlenschneise

12

12

 

8

2

2

 

Lauterbach – Gebräch

18

18

 

12

4

2

 

Lauterbach – Grenze Sandgrube Merlebach

27

25

2

17

8

2

 

Lauterbach – Judengehäu

25

25

 

8

13

4

 

Lauterbach – Katzenweg/Mühlenschneise

31

31

 

19

2

6

4

Lauterbach – Schacht

4

4

 

2

2

 

 

Lauterbach – Waldwiesentalweg

86

86

 

46

19

19

2

Lauterbach – Warndtweiher Weiherschwänze

61

61

 

36

17

6

2

Lauterbach – Weinbrunn

8

8

 

6

2

 

 

Lauterbach – Wolfschneis

20

20

 

8

8

4

 

Ludweiler – Lauterbachtal

27

27

 

13

10

4

 

Ludweiler – Tierpark

14

4

10

10

4

 

 

Ludweiler – Waldwiesentalweg

45

45

 

25

10

6

4

Überherrn – Eichenstauden/Faulenbach

25

25

 

13

10

2

 

Gesamt

694

651

43

412

173

91

18

 

Tab. 3: Der Anteil der lebenden Nachweise war im Untersuchungsgebiet > 50% und zwar sowohl im Zeitabschnitt Oktober – November als auch im Zeitabschnitt Dezember – April. Dass der Anteil im Spätwinter sogar höher ausfällt liegt daran, dass unvollständig gesicherte Blätter (bereits verstorbener Raupen), welche im Oktober noch gefunden werden, bereits abgefallen sind. Es gibt daher deutliche Indizien dafür, dass Raupen, die ihr Hibernaculum bereits bezogen haben, selten Opfer von Fressfeinden werden. Vögel kommen vermutlich für die meisten Raupen im Hibernaculum kaum als Fressfeind in Frage, da sie selten von Unterlagen zugänglich sind, auf denen z. B. eine Meise sitzen kann (meist sehr dünne Zweigspitzen, oft nach oben weisend).

 

 
 

Zeitabschnitt

Gesamt

Lebend

R

H

K

E 

Oktober – November

328

53%

175

89

54

10

Dezember – April

366

65%

237

84

37

8

Gesamt

694

 

412

173

91

18

Beobachtungen im August 2010 stützen die Vermutung, dass die Verluste vor der Überwinterung, zur einer Zeit, da die Raupe noch frisst, am höchsten sind. Es konnten in etwa gleichen Anteilen Kotrippen mit und ohne lebende Raupen gefunden werden (Gesamtanzahl 78: Lauterbach – Waldwiesentalweg und Karlsbrunn – Umgebung Bergwerk Warndt).

Der Nachweis von L. camilla über die beschriebene Suche nach Raupen und Hibernacula ist wesentlich effizienter als der Nachweis von Faltern zur Flugzeit und auch dort noch erfolgversprechend, wo Imagines über längere Zeit nicht beobachtet wurden.

3.6 Beobachtungen zur Falterflugzeit im Sommer 2010

In den beiden Untersuchungsflächen „Lauterbach – Waldwiesentalweg" sowie „Lauterbach – Warndtweiher Weiherschwänze" wurde zwischen dem 24. und 27. Juni 2010 im Bereich der Larvalhabitate nach Faltern Ausschau gehalten. Dies war mit dem Ziel verknüpft, die Eiablage zu beobachten. Auf den Wegen und im Bereich der üblichen Saugpflanzen konnten lediglich vier Falter beobachtet werden. In den dunkleren Bereichen (vgl. hierzu Abb. 17) in unmittelbarer Nähe der Wirtspflanzen fanden sich jeweils mehrere Dutzend Falter (jeweils zwischen 10:30h und 12:30h), die in etwa 3–5 m Höhe in den Eschen saßen und sporadisch aufflogen, um dort entlang der Wegestruktur zu patrouillieren und einen neuen Sitzplatz zu suchen. Auch konnten Tiere beobachtet werden, wie sie in die dunklen Bereiche – das eigentliche Larvalhabitat – flogen, um dort scheinbar zu verschwinden. Eine Eiablage konnte nicht beobachtet werden. Ob in den Eschen Nahrung aufgenommen wurde, ein Sonnenbad oder die Partnersuche der Grund für das Verhalten waren, konnte nicht ermittelt werden. Ein ähnliches Verhalten wird auch aus Baden-Württemberg gemeldet (G. Hermann, pers. Mitt.), wo die Falter ihre Hauptaktivität ebenfalls in die Kronenschicht der Bäume verlegen, wenn es in den unteren Schichten an Licht mangelt. Dass der Kleine Eisvogel auch in den höheren Straten lichtärmerer Wälder sein Falterhabitat findet, ist kaum dokumentiert (ein Hinweis findet sich in Henriksen et al. 1982).

ABB18

Abb. 18: Flugstelle von Limenitis camilla direkt im Larvalhabitat (links). Die Falter saßen in 3–5m Höhe in den Eschen und flogen regelmäßig auf, um entlang des Weges in der gleichen Höhe kurze Strecken zu patrouillieren. Auch im Inneren des Larvalhabitates konnten die Falter beobachtet werden und viele Falter „verschwanden" dort.

3.7 Ergänzende Beobachtungen in Gebieten außerhalb des Warndts

In den Kalkgebieten des Süd-Saarlandes (u. a. in Sitterswald, Auersmacher, Walsheim, Rubenheim, Erfweiler–Ehlingen, Gersheim, Bliesransbach) und im nördlichen Teil des Saarlandes (u. a. in St. Wendel, Oberthal, Türkismühle, Wadern, Nonnweiler) wurden einige erfolgsorientierte Bestandsüberprüfungen durchgeführt. Für alle untersuchten Flächen konnte ein Nachweis innerhalb kurzer Zeit erbracht werden, sofern sie nur über geeignete Wirtspflanzen verfügten. Während in den Kalkgebieten die Wirtspflanze L. xylosteum vorherrscht, ist es in den übrigen Gebieten meist L. periclymenum. S. albus kommt überall vor und wird gerne genutzt. Bei gleichzeitigem Vorhandensein unterschiedlicher Wirtspflanzen gab es in keinem der untersuchten Gebiete bezüglich der Wirtspflanzenwahl eine erkennbare Präferenz.

In einem Gebiet nördlich der Autobahn bei Türkismühle (Nohfelden-Hirsteiner Bergland) fanden sich ähnliche Nachweisdichten wie im Warndt und alle Aspekte des Ablageschemas erscheinen ebenfalls deckungsgleich.

ABB19

Abb. 19: Untersuchungsgebiet nördlich von Türkismühle – hier konnten ähnliche Dichten von Hiberacula und anderen Spuren nachgewiesen werden wie im Warndt.


4 Diskussion

Es kann vermutet werden, dass S. albus und L. periclymenum als Wirtspflanzen insofern dem Kleinen Eisvogel von Vorteil sind, als dass die Zweigspitzen, an denen sich die Hibernacula befinden, sehr dünn und biegsam sind. Die Hibernacula sind im Regelfall so platziert, dass ein sitzender Vogel sie nicht erreichen kann – die Ästchen sind auch für kleine Vögel kaum tragfähig. Dies ist bei L. xylosteum nur bedingt der Fall. Zum einen sind die Ästchen stabiler und zum anderen sind die belegten Ästchen teilweise vom Boden aus zu erreichen, wo Vögel allerdings ungern suchen. Es darf aber vermutet werden, dass Vögel nicht zu den Haupt-Prädatoren der Jungraupen gehören. Parasitenbefall und räuberische Insekten sind sicher bedeutender für die Dezimierung während des Jungraupenstadiums. Dies wird gestützt durch die hohe Quote von Lebendfunden im Spätwinter.

Aufgrund der umfangreichen und nahezu flächendeckenden Nachweise des Kleinen Eisvogels im Warndt kann eine einzige stabile, räumlich strukturierte Metapopulation festgestellt werden. Ob die Population im Klarenthaler Stiftswald mit den übrigen im Warndt in Verbindung steht, kann zurzeit nicht beantwortet werden. Die Dichte der Larvalnachweise darf jedoch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Häufigkeit der Imagines über viele Jahre stark abgenommen hat. Die in den 80er Jahren beobachteten Abundanzen werden bislang nicht mehr erreicht. Das Jahr 2009 kann innerhalb der letzten Dekade bezüglich der Abundanz der Imagines als ein durchschnittliches Jahr im Warndt gelten. Die Menge der Larvalnachweise ist mit einiger Sicherheit nicht auf eine besonders starke oder produktive Generation von Faltern in diesem Jahr zurückzuführen. Erste Ergebnisse aus dem Spätsommer 2010 stützen diese Annahme: es konnten ähnlich viele Raupen und Kotrippen beobachtet werden. Inwiefern die beobachteten Imagines in den dunklen Bereichen der Larvalhabitate für den Vergleich der beiden Jahre 2009 und 2010 zulässig sein kann, ist noch unklar. Bisher als Lichtwaldart eingestuft, suchte man den Kleinen Eisvogel sicher nicht zielgerichtet nach solchen Mustern. Die Anzahl der Falter, die nach dem bisher üblichen Beobachtungsschema 2010 beobachtet wurde, war jedenfalls nicht signifikant höher als die des Vorjahres.

Den Ergebnissen der Bestandsaufnahme folgend erscheint der Kleine Eisvogel im Warndt als aktuell nicht gefährdet. Für die übrigen Teile des Saarlandes kann Ähnliches vermutet werden, doch ist hierfür die Datenlage noch defizitär. Da der Nachweis wie in dieser Arbeit beschrieben wesentlich effizienter als derjenige bei Faltern ist und zudem über mindestens neun Monate (August bis April) möglich ist, sollte eine konsequente Anwendung der Methode weitere belastbare Ergebnisse liefern. Diese wären vor allem auch deshalb wünschenswert, da sie Ergebnisse liefert, die im zeitlichen Aspekt besser vergleichbar sind und meist auch mit einem Reproduktionsnachweis verbunden werden können.

Inwiefern die Absenkung des Grundwassers tatsächlich eine Rückgangsursache für den Bestand des Kleinen Eisvogels war, kann nicht festgestellt werden. Die auffällige Abwesenheit von Faltern in einigen Bereichen des Warndts kann aber als Indiz gelten. Ob sich die Bestände nun dank des steigenden Grundwassers wieder erholen, kann ebenfalls (noch) nicht diagnostiziert werden. Da Vernässungsstellen und geringe Flurabstände des Grundwassers im Warndt wieder zunehmen werden (Wagner 2010) und der Kleine Eisvogel eine Vorliebe für kühlfeuchte Habitate zeigt, ist eine Zunahme der Bestände ebenso nicht auszuschließen.


5 Danksagung

Ich möchte besonders Gabriel Hermann (Filderstadt) danken, der mich schlussendlich ermuntert hat, diesen Artikel überhaupt zu schreiben und sich viel Zeit für Anregungen und Kritik genommen hat. Weiter danke ich Dr. Steffen Caspari (St. Wendel) dafür, dass er nicht locker ließ, seine vielen Anregungen und für die kritische Durchsicht und Korrektur des Manuskripts. Roland Summkeller (Völklingen) danke ich für die kritische Durchsicht des Manuskripts, zahlreiche Anregungen und Ergänzungen sowie die Beschaffung wichtiger Literatur. Weiter danke ich Thomas Reinelt (Überherrn) und Rainer Ulrich (Wiesbach) für den intensiven Gedankenaustausch über den Kleinen Eisvogel im Warndt.


6 Literatur

Asher, J., Warren, M., Fox, R., Harding, P., Jeffcoate, G. & S. Jeffcoate (2001): The millennium atlas of butterflies in Britain and Ireland. – Oxford University Press, Oxford.

Caspari, S. & R. Ulrich (2008): Rote Liste der gefährdeten Tagfalter (Rhopalocera und Hesperiidae) und Widderchen (Zygaenidae) des Saarlandes – 4. Fassung. — In: MINISTERIUM FÜR UMWELT & DELATTINIA (Hrsg.) (2008): Rote Liste gefährdeter Pflanzen und Tiere des Saarlandes. Atlantenreihe Band 4, S. 343–382.

Ebert, G. & E. Rennwald (Hrsg.) (1991): Die Schmetterlinge Baden–Württembergs, Band 1: Tagfalter I. — Eugen Ulmer, Stuttgart.

Fartmann & Hermann (2006): Larvalökologie von Tagfaltern und Widderchen in Mitteleuropa. — Abhandlungen aus dem Westfälischen Museum für Naturkunde 68. Jahrgang 2006 – Heft 3/4.

Henriksen, H. J. & Kreutzer, I. B. (1982) The Butterflies of Scandinavia in Nature — Skandinavisk Bogforlag, Odense.

Hermann, G. (2007): Tagfalter suchen im Winter: Zipfelfalter, Schillerfalter und Eisvögel = Searching for butterflies in winter. — Books on Demand GmbH. Norderstedt. 

Lederer, G. (1951): Biologie der Nahrungsaufnahme der Imagines von Apatura und Limenitis, sowie Versuche zur Feststellung der Gustorezeption durch die Mittel– und Hinterfußtarsen dieser Lepidopteren. – Zeitschrift für Tierpsychologie 8: 41–61.

Lederer, G. (1960): Verhaltensweisen der Imagines und der Entwicklungsstadien von Limenitis camilla L. (Lep. Nymphalidae). – Zeitschrift für Tierpsychologie 17: 521–546.

Pollard, E. (1979): Population ecology and change in range of the white admiral butterfly Ladoga camilla L. in England. – Ecological Entomology 4: 61–74.

Schweizerischer Bund für Naturschutz (Hrsg.) (1987): Tagfalter und ihre Lebensräume. Arten, Gefährdung, Schutz. – Fotorotar AG, Egg/ZH. 

Steiner, H. (2004): Diplomarbeit – Zwischen Licht und Schatten – zur Ökologie des Kleinen Eisvogels (Limenitis camilla) in der Davert/NRW. Einschließlich eines Überblickes über die Tagfalter des Gebietes.

Ulrich, R. (2002): Vom Naturschutz vergessen: Die Lichtwaldarten. — Naturschutz im Saarland 3/2002: 22–25. Lebach.

Ulrich, R. & S. Caspari (in Vorb.): Die Tagschmetterlinge des Saarlandes. Verbreitungsatlas der Tagfalter und Widderchen des Saarlandes.

Ulrich, R. & S. Caspari (2007): Die Lichtwaldfalter im Saarland: erstes Modellprojekt im Warndt. — Abh. Delattinia Band 33: 23–68. Saarbrücken.

Ulrich, R. (2000): Die Raupen–Nahrungspflanzen der Tagschmetterlinge des Saarlandes– eine erste zusammenfassende Darstellung. — Abh. DELATTINIA 26: 99–142, Saarbrücken. 

Wagner, J. (2010): ZUKUNFT WARNDT WASSER – Handlungsstudie zu den Chancen
nach dem Anstieg des Grundwassers im Warndt, Abschlussbericht und Anhänge 1 bis 3 — Grundwasser- und Geoforschung Neunkirchen.

WARNDT.EU (2000): http://www.warndt.eu/zukunft/grubenwassergrundwasser/beton–korken–fuer–stollen–und–schaechte.html – abgerufen am 12.08.2010.

Weidemann, H. J. (1995): Tagfalter: Beobachten, bestimmen. 2. Aufl. – Naturbuch–Verlag, Augsburg.

Wirtspflanze

Anzahl

Minimum

Mittel

Maximum

Lonicera periclymenum (Warndt)

214

45 cm

146 cm

225 cm

Symphoricarpos albus (Warndt)

85

30 cm

118 cm

200 cm

Lonicera xylosteum (Bliesgau)

32

30 cm

80 cm

180 cm

Wer hat noch eine Schmetterlingssammlung?
Brauner Eichenzipfelfalters auf Halde in Ludweiler
 

Comments

Thomas Brück on Dienstag, 07. November 2017 18:42

Dieser Artikel ist einfach klasse. Es ist so ziemlich die ausführlichste Beschreibung über Limenitis camilla, die ich bislang gelesen habe. Sehr detailliert und gut strukturiert. Nun hatte ich kürzlich auch eine solche Hibernacula gefunden. Darin war auch eine Raupe, allerdings tot. Was ich nicht im Artikel finden konnte oder überlesen habe, ist die Größe dieser Hibernacula bzw. der Raupen darin. Zunächst dachte ich nämlich, dass es zu klein wäre. Trotzdem habe ich nachgesehen. Die Raupe darin war gerade mal 2 Millimeter groß, kaum als solche zu erkennen. Ist das tatsächlich die Durchschnittsgröße?

Dieser Artikel ist einfach klasse. Es ist so ziemlich die ausführlichste Beschreibung über Limenitis camilla, die ich bislang gelesen habe. Sehr detailliert und gut strukturiert. Nun hatte ich kürzlich auch eine solche Hibernacula gefunden. Darin war auch eine Raupe, allerdings tot. Was ich nicht im Artikel finden konnte oder überlesen habe, ist die Größe dieser Hibernacula bzw. der Raupen darin. Zunächst dachte ich nämlich, dass es zu klein wäre. Trotzdem habe ich nachgesehen. Die Raupe darin war gerade mal 2 Millimeter groß, kaum als solche zu erkennen. Ist das tatsächlich die Durchschnittsgröße?
Ronny Strätling on Sonntag, 10. Dezember 2017 13:06

Hallo und vielen Dank!

2mm ist eher die unterste Größengrenze. Größer als 5mm sind sie aber nie. Am kleinsten sind sie etwa im Januar, wenn es harten Frost gibt. Dann schrumpeln sie ordentlich zusammen. :-)

Hallo und vielen Dank! 2mm ist eher die unterste Größengrenze. Größer als 5mm sind sie aber nie. Am kleinsten sind sie etwa im Januar, wenn es harten Frost gibt. Dann schrumpeln sie ordentlich zusammen. :-)
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